GenAI und die Modernisierung von Mainframes sowie veralteten Systemen

mainframe IBM
Newsroom Specialists -

Juli 08, 2024

Von Gerhardt Scriven, Anil Kumar Mallanna und Sanjay Rao

Wir leben immer noch in einer Zeit, in der Mainframes das Rückgrat vieler globaler Unternehmen bilden. Das macht die Herausforderungen, die mit Wartung, Optimierung und Modernisierung veralteter Systeme einhergehen, zu einer Priorität. Diese Systeme, die oft durch jahrelange Patches mit technischen Schwächen behaftet sind, verursachen nicht nur hohe Wartungskosten: Sie behindern auch die Flexibilität von Unternehmen.

Erschwerend kommt hinzu, dass ein Großteil der qualifizierten Arbeitskräfte, die über das Wissen für die Wartung dieser Systeme verfügen, demnächst in den Ruhestand geht. Die technische Dokumentation ist indes oft unzureichend, was den Wissenstransfer teuer und ineffizient macht.

Die Nachfrage nach Mainframe-Modernisierung steigt daher – angetrieben durch den Bedarf an vereinfachten Anwendungen, um die Agilität zu erhöhen und Risiken für die Geschäftskontinuität zu mindern. Diese Projekte sind jedoch notorisch komplex und scheitern zu 74 % an den Unternehmen, die sie durchführen. Glücklicherweise bieten die jüngsten technologischen Fortschritte, Partnerschaften mit Cloud-Service-Anbieter, die Nutzung hybrider Cloud-Umgebungen sowie schrittweise Strategien praktikablere und weniger riskante Wege hin zur Modernisierung.

Dabei stellt die Modernisierung der kaufmännisch geprägten Programmiersprache COBOL eine große Herausforderung dar. Geschäftslogik, die jahrzehntelang in dieser Sprache kodiert wurde, lässt sich nur schwer extrahieren, dokumentieren und in modernere Sprachen übersetzen. Eine automatisierte Konvertierung des Codes führt zwar oft zu einer korrekten Umwandlung in Java. Es gibt aber immer noch Schwierigkeiten bei der Wartung und Skalierung, was den Einsatz moderner Programmierpraktiken erschwert. Darüber hinaus berücksichtigen herkömmliche Einheits-Tools nicht in vollem Umfang die Nuancen der verschiedenen Altsysteme. Das erfordert einen hohen manuellen Aufwand bei der Fehlersuche, beim Testen und bei der Umstrukturierung.

Bemerkenswert: Das Potenzial von KI zur Bewältigung dieser Herausforderungen kristallisiert sich zunehmend heraus. KI bietet vielversprechende Lösungen für die automatisierte Umwandlung von Code, die Rückdokumentation und die Testprozesse bei der Mainframe-Modernisierung.

Können künstliche Intelligenz und generative KI den Herausforderungen gerecht werden?

Generative KI (GenAI) geht einen großen Schritt über die traditionelle Mainframe-Technologie sowie über KI-Anwendungen hinaus. Sie verändert nicht nur die Lösung von Geschäftsproblemen anhand von neuen, menschenähnlichen Inhalten, sondern beschleunigt auch die Modernisierung von Mainframes. Das tiefe Verständnis von GenAI für die Semantik der veralteten Codes sowie die heuristische Interpretation der technischen Unternehmensstandards ermöglicht eine effektivere Erfassung der Geschäftslogik und -absicht. Dies wiederum hat eine präzise Codeumwandlung und Wissenskapselung zur Folge.

Mehrere Beratungsunternehmen, IT-Dienstleister und Cloud-Service-Anbieter erforschen KI-Anwendungen für die Überarbeitung von Code, die Erstellung von Visualisierungen zur Entmystifizierung komplexer Systeme und die Verbesserung der Datenmigration. Diese Innovationen zielen darauf ab, die Lücke zwischen Altsystemen und modernen Technologien zu schließen – selbst wenn sich viele davon noch in Entwicklung befinden.

Im Mittelpunkt dieser Vision stehen die Synergie von Wissensmanagement (als eines der wichtigsten kritischen Geschäfts- und Kontinuitätsrisiken für Unternehmen in den verschiedensten Branchen), die Optimierung von bestehendem COBOL-Code und die Umwandlung von Alt-Anwendungen in moderne, nachhaltige Systeme.

Diese Argumente sollen kein Plädoyer dafür sein, Mainframes durhc GenAI zu ersetzen. Indem wir GenAI für einen systematischeren und kontrollierteren Modernisierungsprozess nutzen, vereinfachen wir die Systeme schlichtweg in Bezug auf Flexibilität, Leistung und Wartbarkeit.

Beschleuniger sind in der Lage, virtuelle Replikate veralteter Anwendungen zu erstellen, indem sie Millionen von Zeilen aus deren Code analysieren. Die Einspeisung von GenAI-Extraktionen aus diesen virtuellen Repliken beschleunigt die Ergebnisse der Modernisierung in den Bereichen Wissensmanagement und Code-Optimierung, Anwendungsmodernisierung und -test sowie Anwendungswartung und -unterstützung.

Es geht nicht darum, ein LLM (Large Language Model) gegenüber einem anderen zu bevorzugen. Generative KI-Modelle werden in einem noch nie dagewesenen Tempo immer ausgefeilter, und viele der herstellergebundenen und Open-Source-Modelle eignen sich hervorragend für Mainframe-Modernisierungszwecke. Hier sind ein paar Beispiele:

1. Wissensmanagement und Code-Optimierung

  • Für statische Inhalte empfiehlt es sich, domain-spezifische Wissensportale zu entwickeln, die an unterschiedliche Nutzertypen und Nutzungsszenarien angepasst sind. Dadurch entfällt eine große Last umständlicher technischer Berichte, die in der Regel von aktuellen Markttools erstellt, oft aber gar nicht genutzt werden.
  • Darüber hinaus ermöglichen die „Ask AI Anything“-Chatbot-Funktionen den Anwendern, aufschlussreiche und aussagekräftige Antworten von GenAI auf komplexe technische Fragen zu erhalten. Das schließt die Extraktion von Geschäftslogik und Geschäftsregeln, Copilot für COBOL oder intelligente System-Refactoring-Empfehlungen ein, die zur Vereinfachung und Optimierung von bestehendem Alt-Code genutzt werden.
  • Code-Analysefunktionen können auch zur Durchführung tiefgreifender semantischer Analysen verwendet werden, um Schwachstellen im Hinblick auf die Sicherheit, Muster oder Leistungsengpässe im Quellcode zu entdecken. Im Gegensatz zu herkömmlichen Tools kann GenAI den Kontext des Codes verstehen, wodurch es komplexe Schwachstellen besser erkennen und differenziertere Lösungen vorschlagen kann.

2. Modernisierung von Anwendungen und Tests

  • Ressourcen für das Wissensmanagement sind ideal für die Nachkonstruktion von veraltetem Quellcode – besonders im Hinblick auf User Stories und Akzeptanzkriterien sowie die anschließende Erstellung funktionaler Testfälle auf der Grundlage dieser Faktoren. In Verbindung mit detaillierten Kenntnissen darüber, wie die Daten im Altsystem vorhanden sind, lassen sich so synthetische Daten erstellen.
  • Klassische Techniken des maschinellen Lernens (ML) sollten idealerweise eingesetzt werden, um nachhaltige und isolierte Dienste zu entwerfen. Diese sollen die Leistung des Zielsystems verbessern, Kosten senken sowie sicherstellen, dass das modernisierte System robust und nachhaltig ist.
  • Darüber hinaus garantiert die Nutzung von GenAI, dass der endgültige Code vollständig den Qualitäts- und Sicherheitsstandards des Corporate Engineering entspricht – und dass die Erstellung der Dokumentation des Zielsystems sowie der Unit-Tests automatisiert wird.

3. Wartung und Unterstützung von Anwendungen

  • Nicht zu vergessen ist das Ereignis-Management: GenAI kann auch für die Ursachenanalyse verwendet werden, um die zugrunde liegenden Probleme im Quellcode zu identifizieren. Sie kann dann Lösungen vorschlagen, die auf der Aufklärung früherer Vorfälle basieren oder neue Lösungen generieren, die durch kontextuelles Verständnis auf dem Code einer Anwendung basieren. Als Erweiterung lässt sich die Wissensbasis automatisch aktualisieren, indem solche Vorfälle und die entsprechende Ursachenanalyse und Lösung dokumentiert werden.
  • Code-Scans können auch in einen Vorhersagemodus übergehen – basierend auf den im gescannten Code gefundenen Trends und Anomalien. Der Modus vergleicht das Gefundene mit der Ursachenanalyse vergangener Vorfälle. Diese Möglichkeiten des Ereignis-Managements lassen sich automatisch in dem gewählten Tool dokumentieren; dabei erfolgt die Aufzeichnung, Verfolgung und Prüfung automatisch und ohne manuelle Eingriffe, während die Workflow-Genehmigungen an die zuständige Behörde weitergeleitet werden.
  • Sie können GenAI auch nutzen, um die Produktivität von Entwicklern bei der Anwendungsentwicklung und bei Wartungsaufgaben zu verbessern. Dafür werden Möglichkeiten zur Verbesserung bestehender Probleme im Quellcode oder sogar Best Coding Practices identifiziert, was die Wartung erheblich erleichtert. Ein gutes Beispiel für einen POC (Proof of Concept) für einen Kundenanwendungsfall ist die umfassende Analyse bestimmter Muster in der Codebasis der Anwendung – und die Anwendung entsprechender Korrekturen für ähnliche Muster.

Auf einer breiteren Ebene ermöglicht die Implementierung von GenAI die Verwaltung komplexer Abhängigkeiten in Altsystemen. Dadurch wird sichergestellt, dass Upgrades oder Migrationen die Funktionalität nicht unterbrechen, während gleichzeitig Integrationsprobleme im Prozess reduziert werden. Darüber hinaus sorgen dynamische Wissensaktualisierungen dafür, dass die Systemdokumentation mit dem Produktionscode auf dem neuesten Stand bleibt.

Mit dem Beginn einer neuen Ära der Mainframe-Optimierung und -Modernisierung, die durch GenAI unterstützt wird, ist es an der Zeit, veraltete Arbeitsweisen hinter sich zu lassen. Erst so lässt sich gewährleisten, einer modernen digitalen Landschaft erfolgreich zu sein. Unternehmen müssen veraltete Systeme transformieren und sich so an die Spitze von Agilität und Innovation bringen.

Über die Verfasser

Anil Kumar Mallanna – Geschäftsführender Partner, Legacy Application Modernization and Platform Services (LAMPS) bei Wipro FullStride Cloud Services

Anil verfügt über mehr als 25 Jahre IT-Erfahrung mit umfassenden Kenntnissen über unternehmensweite Anwendungen sowie über Fachwissen in der Entwicklung und Implementierung geschäftskritischer Anwendungen. Er ist verantwortlich für die Modernisierungs-Charta von Wipro in Nord- und Südamerika und hat erfolgreiche Vertriebs-, Pre-Sales-, Beratungs- und IT-Supply-Organisationen für weltweit führende Unternehmen in großen Finanzdienstleistungsbranchen geleitet.

Sanjay Rao – Direktor für Legacy-Anwendungsmodernisierung und Plattformdienste (LAMPS) bei Wipro FullStride Cloud Services

Sanjay ist ein Modernisierungsberater für Alt-Systeme und Cloud-Architekt mit 25 Jahren Erfahrung in der Vereinfachung, Erweiterung, Migration und Modernisierung von Mainframe-Anwendungen. Er leitet die Bereiche Pre-Sales, Consulting und Delivery für Wipro’s Americas 1, zu denen die Bereiche Gesundheitswesen, Biowissenschaften, Kommunikation, Einzelhandel und brasilianische Sektoren gehören.

Gerhardt Scriven – Geschäftsführer, CAPCO

Gerhardt Scriven verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im IT-Bereich. Sein Schwerpunkt liegt auf der Beseitigung von Risiken und der Lösung komplexer Probleme bei der Durchführung unternehmenskritischer Projekte, insbesondere durch frühzeitige Risikoerkennung und -minderung. Er ist spezialisiert auf die Optimierung und Modernisierung von Alt-Anwendungen.