Zertifizierung mittels digitaler Zwillinge: Siemens-Produkte erreichen einen Meilenstein

CEO da Siemens, Roland Busch
Sheila Zabeu -

Februar 05, 2024

In Zusammenarbeit mit UL Solutions hat Siemens ein Industrieprodukt für die Vereinigten Staaten zertifiziert – durch Simulation mit digitalen Zwillingen. UL Solutions ist ein Unternehmen, das auf dem Gebiet der angewandten Sicherheitswissenschaften tätig ist. Nach Angaben beider Unternehmen handelt es sich bei der Zertifizierung um eine weltweit beispiellose Leistung, die Präzision und Zuverlässigkeit dieser Technologie beweist. Es unterstreicht ihre Tauglichkeit, das industrielle Metaversum voranzutreiben, indem Produktentwicklung, Innovation und die für die Markteinführung neuer Produkte erforderliche Zeit beschleunigt werden.

Traditionell sind für eine Zertifizierung umfassende physische Tests erforderlich: ein einzelnes Produkt wird dabei oft einer ganzen Reihe von Bewertungen unterzogen. Die von Siemens und UL Solutions vorgeschlagene Simulation der Zertifizierungsprozesse mit digitalen Zwillingen stellt einen Paradigmenwechsel dar. Beim konkreten Beispiel hat UL Solutions einen digitalen Zwilling des neuen Siemens Frequenzumrichters SINAMICS G220 verwendet, um die erforderlichen Tests des Temperaturanstiegs durchzuführen. Der digitale Zwilling wurde von UL Solutions verifiziert und validiert. Der gesamte Zertifizierungsprozess vereinte nahtlos die digitale Modellierung und Simulation mit traditionellen physikalischen Tests.

„Die digitale Zwillingstechnologie von Siemens schreibt die Regeln der Innovation neu. Diese Zusammenarbeit mit UL Solutions ist ein Beweis für unser Engagement für eine Zukunft, in der Innovation keine Grenzen kennt. Sie lädt Branchen und Innovatoren gleichermaßen ein, die grenzenlosen Möglichkeiten digitaler Zwillinge zu erkunden. So lässt sich die Zukunft der Produktentwicklung gestalten“, sagt Cedrik Neike, Mitglied des Vorstands der Siemens AG und CEO von Siemens Digital Industries.

Für UL Solutions war dies die erste Zertifizierung anhand eines digitalen Produktmodells. Nach Ansicht des Unternehmens hat dieser Prozess weitreichende Auswirkungen auf die Produktinnovation und die Geschwindigkeit der Markteinführung. „Diese erste Zertifizierung ist ein enormer Meilenstein im Bereich der Prüfung, Inspektion und Zertifizierung – auch für unsere Kunden auf der ganzen Welt“, sagt Jennifer Scanlon, Präsidentin und CEO von UL Solutions. Sie weist darauf hin, dass die digitale Modellierung und Simulation sehr großes Potenzial haben, die Zukunft der Produktentwicklung und -zertifizierung zu gestalten. „Diese Dienstleistungen können dazu beitragen, die Zeit bis zur Markteinführung und die Kosten während des Produktlebenszyklus zu reduzieren. Außerdem lässt sich damit die Genauigkeit der technischen Informationen über Sicherheit, Leistung und Qualität erhöhen, die Innovationen vorantreiben“, fügt Scanlon hinzu.

Modellierungs- und Simulationsdienstleistungen bieten insbesondere bei modularen Projekten und Produkten einen Mehrwert, die aus vielen Konstruktionsvarianten bestehen. „Dieser Mehrwert lässt sich durch weniger Prototypen und den Aufwand, diese physisch zu testen, erzielen. Vorteilhaft wirkt auch das verringerte Risiko von Verzögerungen bei der Markteinführung aufgrund von Nichtkonformität am Ende des Entwicklungsprozesses“, erklärt Weifang Zhou, Executive Vice President und Director of Testing, Inspection and Certification bei UL Solutions.

Industrielles Metaverse und KI

Das industrielle Metaversum wird 2024 einen riesigen Schritt nach vorne machen – das betonte Roland Busch, CEO von Siemens, auf der diesjährigen Messe CES in Las Vegas (USA). Für Siemens sind die wichtigsten Bausteine des industriellen Metaversums bereits gelegt: digitale Zwillinge, softwaredefinierte Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI). „Mit generativer KI und dem industriellen Metaversum können wir alle Innovationen und Nachhaltigkeitsinitiativen sowie den Zugang zu Technologien beschleunigen. Und das ist genau das, was die Welt jetzt braucht: Schnelligkeit und Größe, um die großen Herausforderungen zu lösen“, sagte Busch.

Im industriellen Metaversum können digitale Zwillinge Prozesse simulieren, bevor sie in der realen Welt umgesetzt werden. Das schließt Optimierungen ein, die Zeit einsparen und Abfall reduzieren. Es ist sogar möglich, Schritt für Schritt in die Vergangenheit zurückzugehen und den Zeitpunkt zu finden, an dem ein Problem auftrat. So lässt sich dieses präzise beheben – auch durch einen KI-Co-Piloten.

Das industrielle Metaversum lässt sich zudem nutzen, um schneller Lösungen in der digitalen Welt zu finden und diese erst anschließend in der realen Welt umzusetzen. Dies wird durch softwaredefinierte Automatisierung und insbesondere durch die Nutzung des Internets der Dinge sowie virtueller speicherprogrammierbarer Steuerungen (SPS) geschehen. Laut Siemens wird dies vom Automobilhersteller Audi bereits praktiziert: Dieser setzt in einer seiner Fabriken virtuelle SPS ein.

Die generative KI ermöglicht außerdem neue Wege der Interaktion mit Maschinen und digitalen Zwillingen. Ein Beispiel dafür ist der Siemens Industrial CoPilot, der in Zusammenarbeit mit Microsoft entwickelt wurde. Er ermöglicht es, Maschinen mit natürlicher Sprache zu bedienen und zu programmieren. So dient er als virtueller Assistent im industriellen Metaverse. Siemens kündigte Anfang des Jahres auch eine Kooperationsinitiative mit AWS an. Ziel dieser Initiative ist es, die Entwicklung von KI-Anwendungen zu vereinfachen und sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen – einschließlich Personen, die keine umfassende Programmiererfahrung haben.