Smarte Fertigung: Handfeste Ergebnisse in einem Jahr zu erwarten

Engineer manager checking and controling automation robot arms machine
Sheila Zabeu -

Juni 06, 2023

Intelligente Fertigungsprojekte verzeichnen in letzter Zeit höhere Erfolgsquoten. Die größten Vorteile dabei sind insbesondere Produktivitätssteigerungen, Kostensenkungen und die Stabilität der Lieferkette. Allerdings gibt es immer noch Herausforderungen, denen sich die smarte Fertigung stellen muss.

Eine Studie der Information Services Group (ISG) hat kürzlich ergeben, dass die ersten aussagekräftigen Ergebnisse intelligenter Herstellungsprozesse in 81 % der gemeldeten Fälle innerhalb von 12 Monaten erzielt werden. „Die smarte Fertigung ist relativ neu und ausgesprochen erfolgreich. Mehr als 60 % der Teilnehmer unserer Studie haben in den letzten vier Jahren Initiativen in diesem Bereich gestartet. Die Investitionen scheinen sich auszuzahlen, denn mehr als 70 % berichten über Erfolge, gemessen an der Kostensenkung sowie der Qualität der Fertigungsprozesse“, erläutert Gaurav Gupta, Partner und globaler Leiter von ISG Digital Engineering.

Initiativen zur smarten Produktion gewinnen an Zugkraft: 75 % der Programme werden bis 2023 mindestens 100 Fachkräfte beschäftigen – im letzten Jahr waren es dagegen erst 40 %. Der Anteil der Programme mit 2.500 oder mehr Mitarbeitern hat sich in diesem Zeitraum verdoppelt.

Das größte Hindernis, mit dem sich die Unternehmen während der letzten zwei Jahren konfrontiert sahen, war das Change Management. 58 % nannten dies als eine der drei wichtigsten Herausforderungen. Bei 22 % fiel es sogar als größtes Problem ins Gewicht. Auf regionaler Ebene zeigen sich Unterschiede: US-amerikanische Unternehmen nennen Altanlagen noch vor dem Änderungsmanagement als zweitgrößte Herausforderung. Europäische Unternehmen nennen dagegen Finanzierung, Kapitalrendite (ROI), Skalierbarkeit, Schulung und IT/OT/ET-Integration (Engineering Technology) als größte Hindernisse – ebenfalls nach dem Change Management.

Balkendiagramm, das die größten Herausforderungen für Unternehmen nach Prozentzahlen darstellt. An erster Stelle steht dabei das Änderungsmanagement mit 58 %.
Quelle: ISG

„Die intelligente Herstellung verändert den Arbeitsplatz und die Art und Weise, wie Geschäfte gemacht werden. Indes haben Unternehmen zwar die technischen Ziele erreicht – die Initiativen werden aber nicht erfolgreich sein ohne eine Strategie, die sicherstellt, dass die Technologien wie beabsichtigt zum Einsatz kommen“, warnt Alex Bakker, ISG-Forschungsleiter und Mitverfasser der Studie.

Die Studie unterstreicht die Relevanz, eine Strategie für das Änderungsmanagement zu haben, die alle Elemente der Wertschöpfungskette miteinander verbindet. Unternehmen, die sich gegen Veränderungen sträuben, widersprüchliche Prioritäten oder unklare Strategien für das Change Management haben, sollten ein Betriebsmodell entwickeln, das Teams, Prozesse und Technologien synchronisiert. So lässt sich effizient der Wert steigern, den die intelligente Fertigung generieren kann.

Smarter durch weitere Technologien

Bis 2023 gaben 75 % der Befragten im Rahmen der Studie an, dass sie ihre Investitionen in künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen erhöht oder beibehalten haben. Bei digitalen Zwillingen sind die Entscheider jedoch gespalten: 60 % werden voraussichtlich mehr oder gleich viel investieren, während 32 % noch gar keine finanziellen Mittel für diese Technologieklasse aufgewandt haben. Im Bereich der Virtual oder Augmented Reality hat die Mehrheit noch nicht mit Investitionen begonnen oder sie zumindest beibehalten – während 11 % ihre Ausgaben reduziert haben.

Fertigungsunternehmen nutzen ein Multi-Vendor-Ökosystem, um ihre Initiativen zu beschleunigen. Die fünf wichtigsten Partner sind Plattformanbieter, große Technologieunternehmen, Strategieberater, Dienstleister und Tier-1-MS-Anbieter. Die gewünschten Eigenschaften der Partner sind je nach Branche sehr unterschiedlich, allerdings bevorzugen 63 % einen stark personalisierten Service anstatt Teams für eine schnelle Projektumsetzung.

Balkendiagramm, das die fünf wichtigsten Arten von Partnerunternehmen für Hersteller mit smarten Fertigungsprozessen in Prozentzahlen zeigt. An oberster Stelle stehen Plattformanbieter (57 %), gefolgt von großen Technologieunternehmen (54 %), Strategieberater (50 %), Dienstleister (47 %) und Anbieter von Stufe 1 MS (38%).
Quelle: ISG

Herausforderungen besser verstehen

Warum stehen Initiativen zur intelligenten Fertigung vor so vielen Herausforderungen? Laut dem Research- und Beratungsunternehmen Gartner sind dafür die notwendigen kulturellen sowie betrieblichen Veränderungen verantwortlich, die nur langsam vonstattengehen. In vielen Fällen erfordern sie gar völlig neue Organisationsmodelle, um die Charakteristika der Lieferkette zu integrieren.

Eine Studie von Gartner hat die fünf größten Risiken identifiziert, die bei der Einführung von Smart-Factory-Initiativen zu vermeiden sind:

1. Verwechslung der Fabrikoptimierung mit der Transformation des Geschäftsmodells: Die Vorteile der Optimierung einer intelligenten Fabrik beschränken sich auf einen Standort. Wenn Initiativen zur intelligenten Fertigung vom Rest der Lieferkette abgekoppelt werden, können lokale Vorteile entstehen, die aber kostspielige Einschränkungen an anderer Stelle im Unternehmen bedingen. Dieses Risiko lässt sich mindern, indem sichergestellt wird, dass die Ziele der Fabrik synchron mit den Betriebsmodellen der Lieferkette, den digitalen Ambitionen, der Flexibilität und den Automatisierungsmöglichkeiten des Unternehmens sind.

2. Vernachlässigung des Umfangs von Change Management: Die Anschaffung einer neuen Technologie kann einfach und relativ kostengünstig sein. Unterschätzt man jedoch die sich daraus ergebenden Änderungen an bestehenden Prozessen, Integrationen und neuen Leistungszielen, führt dies gegebenenfalls zu weiteren Kosten und einem hohen Zeitaufwand. Dieses Risiko lässt sich teilweise managen, indem diese Änderungen als Teil einer unternehmensweiten Initiative gelten. Dazu gehört die notwendige Abstimmung zwischen der Führungsebene und den Teams, um sicherzustellen, dass die Initiativen angemessen vorangetrieben werden und eine kontinuierliche Verbesserung im Fokus steht.

3. Unterschätzung der Komplexität der Konvergenz von IT, OT und Ingenieurtechnik: Intelligente Fabriken hängen nicht nur von der Abstimmung zwischen Werken und Geschäftsbereichen ab – auch die Informations-, Betriebs- sowie Ingenieurstechnologie sind relevante Elemente, die es zu berücksichtigen gilt. Um die Komplexität der Konvergenz zwischen diesen Bereichen zu senken, müssen Governance- und Organisationsstrukturen entsprechend den neuen Produktionsmodellen entwickelt werden.

4. Unzureichende Finanzierung von Qualifizierung, Umschulung und Talententwicklung: Es ist von entscheidender Bedeutung, die Lern- und Entwicklungsprogramme zu modernisieren. So erfahren Teams die Unterstützung, die sie brauchen, um neue Erfahrungen zu sammeln.

5. Konzentration auf einen einzigen Anwendungsfall und eine einzige Technologie: Es gibt nicht die eine dominante Technologie oder den einen Anbieter, der alle Anforderungen an eine intelligente Fabrik erfüllt. Daher müssen Hersteller bei der Anschaffung von Technologien strategische Überlegungen (z. B. Skalierbarkeit) mit pragmatischeren Überlegungen (z. B. Planung von Betriebsausfällen) abwägen.