Siemens: 1 Mrd. für industrielles Metaversum in Deutschland

Siemens to invest €1 billion in Germany and create blueprint for industrial metaverse in Nuremberg metropolitan region
Sheila Zabeu -

August 11, 2023

Siemens will rund 1 Milliarde Euro in Deutschland investieren, um die technologische Innovation im Land zu fördern. Unter anderem wird das Unternehmen einen neuen Technologie-Campus im bayerischen Erlangen errichten und rund 500 Millionen Euro in den Ausbau der Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten investieren. Damit soll der Standort zum globalen Forschungs- und Entwicklungszentrum (F&E) des Unternehmens sowie zum Dreh- und Angelpunkt für Aktivitäten im Bereich des industriellen Metaversums werden.

Die genannten Investitionen sind Teil einer globalen Strategie: Bereits im vergangenen Juni hat Siemens angekündigt, 2 Milliarden Euro in Produktionsressourcen, Innovationslabore und Bildungszentren investieren zu wollen.

In Erlangen befindet sich bereits eine Fabrik für industrielle Automatisierungs- und Digitalisierungsprodukte mit rund 3.500 Mitarbeitern. Die Fertigung an diesem Standort ist hoch automatisiert, wobei Menschen und Roboter Seite an Seite arbeiten. Das Erlanger Werk stellt elektronische Komponenten sowie Maschinensteuerungen und Werkzeuge für den Maschinenbau her, die ein wichtiger Bestandteil der deutschen Wirtschaft und Industrie sind. Mit der jüngsten Investition schafft Siemens ein industrielles Metaversum, also ein virtuelles Abbild, das in Echtzeit erzeugt wird. Man erwartet, dass die Einbindung relevanter Daten und künstlicher Intelligenz es ermöglicht, eine hochmoderne Fertigungsumgebung zu schaffen, die nachhaltiger ist und flexibel auf Marktschwankungen reagieren kann.

„Siemens setzt auf deutsche Innovation und erklimmt eine neue Stufe der Digitalisierung, indem es den Grundstein für das industrielle Metaverse in der Metropolregion Nürnberg legt. Auf dem neuen Campus werden wir die reale und die digitale Welt miteinander verbinden. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln wir im Metaverse neue digitale Technologien und revolutionieren die Art und Weise, wie wir in Zukunft produzieren werden – nämlich deutlich effizienter, flexibler und nachhaltiger“, sagt Roland Busch, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG.

Der Siemens Campus wird sich auf nachhaltige Hightech-Fertigung, F&E-Aktivitäten und die Schaffung eines Ökosystems von Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft konzentrieren. Der Plan sieht auch die Umnutzung bestehender Einrichtungen und die Erweiterung des Geländes vor.

Vor Baubeginn werden die neuen Gebäude für F&E, Produktion und Logistik in der digitalen Welt geplant und simuliert – erst anschließend in der realen Welt umgesetzt. Im virtuellen Umfeld wird ein exaktes Abbild erstellt, in dem das gesamte bestehende Fabriklayout optimiert und anschließend in der realen Welt mit Hilfe des industriellen Metaversums angepasst wird.

Durch den Einsatz des industriellen Metaversums und moderner Technologien wie dem industriellen 3D-Druck und innovativer Leistungselektronik wird die Stadt Erlangen laut Siemens zu einem Zentrum für digitale Produktionskonzepte. Darüber hinaus qualifiziert der Konzern seine Belegschaft auf Basis zukunftsorientierter Arbeits- und Ausbildungskonzepte (NextWork) konsequent weiter. Ziel ist es, sich nicht nur auf die digitale Transformation der Arbeitswelt vorzubereiten, sondern diese auch aktiv mit zu gestalten.

Der Ausbau des Standortes in Erlangen wird unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit und des Energieverbrauchs erfolgen. Man plant, eine Fläche von rund 200.000 Quadratmetern nach höchsten Nachhaltigkeitskriterien netto-zero zu gestalten. Vorgesehen sind eine innovative Energieinfrastruktur, nachhaltige Energiequellen und -speicher sowie firmeneigene, nachhaltige und digitale Gebäudetechniklösungen.

Die globale Investitionsstrategie von Siemens im Wert von rund 2 Milliarden Euro umfasst Regionen wie die Vereinigten Staaten, China und Südostasien. Anfang Juli kündigte das Unternehmen ein Projekt zum Bau einer neuen Zentrale in Spanien mit einem Investitionsvolumen von 160 Millionen Euro an.

Kooperation mit NVidia

Ein wichtiger Partner von Siemens in diesem industriellen Metaverse-Projekt ist NVidia, das in den Segmenten Grafikbeschleunigung und Künstliche Intelligenz (KI) eine große Bedeutung hat. Die beiden Unternehmen gaben im Juni 2022 die Ausweitung ihrer Partnerschaft bekannt, um die industrielle Automatisierung auf eine neue Ebene zu heben.

Das erste Ziel der Kooperation war die Verbindung von Siemens Xcelerator, der digitalen Geschäftsplattform, und NVidia Omniverse, der Plattform für 3D-Design und Kollaboration. Dies soll die Schaffung des industriellen Metaverse erleichtern – wesentliche Komponenten sind die physikbasierten digitalen Modelle von Siemens und die Echtzeit-KI-Fähigkeiten von NVidia.

Auf diese Weise lässt sich der Einsatz von digitalen Zwillingen beschleunigen. Gleichzeitig werden Produktivität und Produktionsprozesse verbessert. Unternehmen aller Größen sind so in der Lage, digitale Zwillinge mit Echtzeit-Leistungsdaten zu nutzen, innovative industrielle IoT-Lösungen zu schaffen, sich auf Edge- oder Cloud-basierte Analysen zu verlassen und immersive Simulationen einfacher durchzuführen.

„Physikalisch basierte fotorealistische digitale Zwillinge, die in das industrielle Metaversum eingebettet sind, bieten ein enormes Potenzial für die Umgestaltung von ganzen Branchen und sogar Volkswirtschaften. In einer virtuellen Welt, in der Menschen interagieren und zusammenarbeiten, lassen sich auch reale Probleme lösen. Die Partnerschaft von Siemens und NVidia lassen das industrielle Metaversum für Unternehmen aller Größenordnungen Wirklichkeit werden“, sagt Siemens-Vorstandsvorsitzender Busch. Er fügt hinzu, dass die Verbindung zwischen Siemens Xcelerator und NVidia Omniverse ein immersives Echtzeit-Metaversum schaffen wird, das Hardware und Software vom Edge bis zur Cloud vereint.

Was ist das industrielle Metaverse?

Das industrielle Metaverse wird ein Ort der Zusammenarbeit, des Experimentierens und der Interaktion mit dem digitalen Zwilling von Maschinen sein – von einzelnen Produkten bis hin zu ganzen Fabriken, Gebäuden, Städten, Netzen und Verkehrssystemen.

In dieser digital-realistischen Umgebung können die Menschen:

  • den digitalen Zwilling visualisieren und neue Einsichten gewinnen;
  • sich in Echtzeit treffen, um gemeinsam an dem digitalen Zwilling zu arbeiten;
  • verschiedene Szenarien kontinuierlich simulieren, bewerten und vorhersagen;
  • und die mit dem digitalen Zwilling verbundenen realen Anlagen überwachen, analysieren und verwalten.

Das industrielle Metaversum entsteht durch die Konvergenz verschiedener Technologien. Durch die Verknüpfung verschiedener Darstellungen des digitalen Zwillings werden Unternehmen das Rückgrat des industriellen Metaversums bilden, unterstützt durch Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Blockchain, Industrial Internet of Things (IIoT) sowie Edge- und Cloud-Computing.

Man erwartet, dass sich das industrielle Metaverse bis zum Ende dieses Jahrzehnts zu einem 100-Milliarden-Dollar-Markt entwickelt, der schneller wachsen wird als das Metaverse für Verbraucher und Unternehmen zusammen. Es hat das Potenzial, eine der größten Triebkräfte für Nachhaltigkeit und die digitale Transformation ganzer Unternehmen und Branchen zu werden.

So kann diese digitale Welt neue Dimensionen der Produktivität, Innovation und Nachhaltigkeit schaffen. Hier sind einige der wichtigsten Anwendungsfälle für die Industrie:

  • Beschleunigung von Innovation: Ein breites Spektrum von Szenarien lässt sich virtuell testen, was zu einer schnelleren Entwicklung neuer Produkte, einer effizienteren Gestaltung neuer Anlagen und einer frühzeitigen Integration der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft in die Produkt- und Anlagengestaltung führt.
  • Verbessertes Design und Engineering: Durch die interaktive Zusammenarbeit werden alle Beteiligten einbezogen, was eine bessere und schnellere Produktentwicklung und Markteinführung ermöglicht. Simulationen erleichtern risikofreie Iterationen und geben jeder beteiligten Person die Möglichkeit, als Erfinder oder Experte einen Beitrag zu leisten – vom Entwurf bis zum Betrieb und Recycling.
  • Verbesserung der Abläufe: Durch die Simulation einer Fabrik oder eines anderen Arbeitsplatzes können die Teammitglieder die Abläufe analysieren und kontinuierlich verbessern, ohne die Produktion zu unterbrechen.
  • Zugang zu Talenten und Schulungen: Das industrielle Metaversum bietet Fernzugriff auf spezialisierte Fähigkeiten und virtuelle Schulungen, wodurch sich geografische Beschränkungen überwinden lassen. Es fördert die Entwicklung von Fähigkeiten, unterstützt die Ausbildung in verschiedenen Bereichen und wirkt dem Fachkräftemangel in einer alternden Gesellschaft entgegen.
  • Ermöglichung von Nachhaltigkeit: Ein energieeffizientes Metaverse, das von erneuerbaren Quellen gespeist wird, wird Unternehmen dabei helfen, nachhaltiger zu werden, indem es eine intelligentere und schnellere Entscheidungsfindung ermöglicht, die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft in Design und Betrieb integriert und die Energie- und Ressourceneffizienz verbessert.