Komplexe Anpassung von IT und OT: Von Industrien unterschätzt

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Sheila Zabeu -

Mai 16, 2023

Die Verschmelzung von IT und OT: ein von vielen Unternehmen angestrebter Endzustand. Doch laut einer Umfrage des Forschungs- und Beratungsunternehmens Gartner stoßen Smart-Factory-Betriebe – also digitale Fabriken, die Menschen, Maschinen und Big Data zu einem digitalen Netzwerk zusammenführen – dabei auf einige oft unterschätzte Risiken. Eines davon ist die Nichtbeachtung der Komplexität, die bei der Annäherung von IT (Informationstechnologie), OT (Operational Technology) und ET (Engineering Technology) besteht.

Initiativen für intelligente Fabriken erfordern kulturelle und betriebliche Veränderungen. Diese sind von Natur aus langsam und benötigen in vielen Fällen völlig neue Organisationsstrukturen, um mehr Ressourcen zu integrieren. „Smart-Factory-Betriebe bieten zahlreiche Vorteile, von erweiterter Produktion bis hin zu mehr Kapazität zur Verbesserung der Qualität sowie der Lösung von Arbeitskräfteproblemen. Potenzielle Vorteile können jedoch auch eine große Falle darstellen, da es einen Ansturm auf die Einführung intelligenter Initiativen ohne klares Verständnis für das Ausmaß der damit verbundenen Herausforderungen geben kann“, so Simon Jacobson, Vizepräsident für Analyse in Gartners Supply Chain Practice.

Ein Beispiel für eine solche Herausforderung: Die Steuerung intelligenter Fabriken sollte nicht nur auf die Verbindungen zwischen Werken und Geschäftsbereichen konzentriert sein. Auch die Art und Weise, wie die IT-, OT- und ET-Fronten verwaltet sind, spielt eine wichtige Rolle. Diese drei Bereiche sind untrennbar miteinander verbunden. Konvergenz und Abstimmung zwischen ihnen sind entscheidend, vor allem dann, wenn sich die Produktionsmodelle ändern. Um die Komplexität zu reduzieren, müssen sich Entscheider mit alternativen Organisationsmodellen vertraut machen – so lassen sich IT und OT ausrichten und Steuerungsstrukturen entsprechend den neuen Produktionsplänen entwickeln.

Auf der Smart Production Solutions (SPS) 2022 – einer der weltweit wichtigsten Industrieautomatisierungsmessen – hob das Marktforschungsunternehmen IoT Analytics die folgenden Top-10-Trends im Bereich der IT/OT-Konvergenz hervor:

1. IT-basierte containerisierende Technologie an den Rändern (Edges) – Anbieter wie Siemens, Lenze, Belden, Flecs, MathWorks, Wago und andere hoben die Containerisierung von Arbeitslasten an den Rändern besonders hervor.

2. Integration von IT- und OT-Tools – Ein beachtenswerter Trend ist die enge Zusammenarbeit von IT- und OT-Unternehmen zur Schaffung integrierter Lösungen, darunter Schneider Electric und Software AG.

3. Cloud-native (IT) Tools zur Verbesserung der Fertigungsprozesse – Dies trifft auf die Siemens Xcelerator-Lösung zu: ein kuratiertes Portfolio aus IoT-fähiger Hardware und Software, einem Partnernetzwerk und einem Marktplatz. Siemens plant, das gesamte Hardware- und Software-Portfolio modular zu gestalten, mit der Cloud zu verbinden und über APIs zu entwickeln – aktuell mit 60 Partnern.

4. Programmierwerkzeuge (IT) und -sprachen für Controller – IT-Werkzeuge für OT-Programmierer sind aktuell sehr gut verfügbar. Siemens hat beispielsweise eine neue Version (V18) des TIA (Software zur Steuerungslogik) Portals veröffentlicht, das erweiterte Workflows für IT bietet. Am bemerkenswertesten ist, dass die Automatic Xpansion Entwicklungsumgebung (Siemens AX) nun cloudbasiert ist, Microsoft Visual Studio Code unterstützt sowie die Versionenkontrolle über GitLab ermöglicht. Schneider Electric hat unterdessen die Automation Expert Software für softwarezentrierte PLC-Programmierung eingeführt.

5. Virtuelle PLCs zur Überwachung von industriellen Steuerungssystemen – Controller-in-Containern-Unternehmen migrieren zu virtuellen PLCs, die unabhängig von Steuerungshardware und IT-Hardware sind. Zudem können sie auf standardisierten IT-Servern anstelle von spezialisierten Controllern laufen. Während der SPS 2022 startete Codesys sein neues Angebot für virtuelle PLCs: Codesys Virtual Control SL. Mehrere Startups präsentierten ebenfalls ihre virtuellen und flexiblen PLCs.

6. Digitale Zwillinge zur Virtualisierung physischer Assets – IT/OT-Konvergenz steht oftmals für OT, die IT-Tools übernimmt. Bei digitalen Zwillingen sehen wir das Gegenteil, das heißt: IT übernimmt OT in einer virtualisierten Umgebung. Die Industrial Digital Twin Association stellte Use Cases in diesem Bereich vor.

7. Low-Code-Tools – Tools dieser Art stellten auf der SPS 2022 einen Trend dar. Siemens zeigte, wie sich Mendix zur Entwicklung von Low-Code-Anwendungen für den Industrial Edge nutzen lässt. Die Startups 36zero und Appollo Systems präsentierten ebenfalls ihre Lösungen. Peakboard demonstrierte sein Tool zur Erstellung von Produktions-Dashboards.

8. MQTT-Protokoll zur Verbindung von OT und IT – MQTT gewinnt an Bedeutung als Konnektivitätsprotokoll für „Last-Mile“-OT-Geräte und IT/Cloud-Systeme. Es ist bereits möglich, das Protokoll mit Millionen von Geräten zu verwenden. Zudem gibt es Tools zur Überwachung von Daten- und Nachrichtenflüssen sowie erweiterte Sicherheitsfunktionen.

9. IT-Cybersicherheitsmodelle für OT – Das für die IT entwickelte Zero-Trust-Sicherheitskonzept kann in OT-Umgebungen funktionieren. Siemens und Zscaler haben das OT-Konzept der „Defence in Depth“ – ein Bündel an Sicherheitsmaßnahmen, um Datenbestände eines Unternehmens zu schützen – mit einer solchen Zero-Trust-Architektur erweitert.

10. IT-Ansatz zur Qualitätskontrolle von Industrie-Software – Die PLCopen-Vereinigung hat eine Neuerung angekündigt: Sie erwägen, eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Richtlinien für die auf Metriken basierende Qualitätsbewertung von PLC-Software zu bilden.