Industrial Metaverse: Die Welt der virtuellen Produktion

industrial metaverse
Cristina De Luca -

April 03, 2023

BMW hat sich an die Spitze eines wichtigen neuen Trends in der Fertigung gesetzt: Das Unternehmen nutzt den virtuellen Raum, um Aspekte der Herstellung bereits Jahre vor Produktionsbeginn zu optimieren – wie Layout, Robotik und Logistiksysteme. Dazu teilte BMW auf der Entwicklerkonferenz NVIDIA‘s GTC den Plan mit, dass es mithilfe der Omniverse-Plattform industrielle Metaversen in seinem weltweiten Produktionsnetzwerk aufbauen und betreiben will. Darunter fällt auch das Elektrofahrzeugwerk im ungarischen Debrecen, das erst 2025 in Betrieb gehen wird.  

Jensen Huang, Gründer und CEO von NVIDIA, kam in diesem Kontext eine besondere Rolle zu: Zusammen mit Milan Nedeljković, Vorstandsmitglied der BMW Group, eröffnete er offiziell während seiner Keynote auf der GTC die erste vollständige virtuelle Fabrik des Automobilherstellers. Die Demo zeigt eine virtuelle Planungssitzung für das Werk in Debrecen. Das BMW-Team war in der Lage, Daten zu massiven, hochleistungsfähigen Modellen zu sammeln, ihre domänenspezifischen Softwaretools zu verbinden und eine Live-Zusammenarbeit zwischen mehreren Benutzern an verschiedenen Standorten zu ermöglichen. Indem die Arbeit an der virtuellen Fabrik zwei Jahre vor der Eröffnung beginnt, möchte BMW deren betriebliche Effizienz sicherstellen.

Ursprünglich war die Omniverse-Plattform auf den Verbrauchermarkt ausgerichtet. Um die intensive Nutzung digitaler Zwillinge zu ermöglichen, wurde die Lösung um neue Funktionen erweitert. Dazu gehören AR-Rendering, VR und mehrere GPUs. Auch die Integrationen für Industrie- und Infrastrukturanwendungen mit Software von Bentley Systems und Esri ist nun mit Omniverse möglich. Das Ziel: Ingenieure und Designer sollen in der Lage sein, physisch genaue digitale Zwillinge, Gebäude und Produkte zu entwickeln. Gleichzeitig steht ihnen die Möglichkeit offen, realitätsgetreue Simulationen zum Trainieren von Robotern oder autonomen Fahrzeugen durchzuführen, bevor diese in der realen Welt eingesetzt werden. Durch die Verschmelzung digitaler Zwillinge mit ihren realen Gegenstücken können Unternehmen ihre Produktion und Prozesse in einer kontinuierlichen Feedbackschleife optimieren.

Das Industrial Metaverse: Ein Konzept auf dem Vormarsch

Erst kürzlich haben Siemens und die MIT Technology Review einen neuen Beitrag veröffentlicht, der das Potenzial dieses Konzepts zur Revolutionierung des Industriesektors untersucht. Nach Ansicht der MIT-Analysten assoziieren viele Menschen mit dem Begriff „Metaversum“ eine bunte virtuelle Welt der Unterhaltung und Einkaufserlebnisse. Das industrielle Metaversum aber hat das Potenzial, die Realität auf eine Weise zu revolutionieren, wie es nur wenige andere Technologien können: In ihm können ganze Maschinen, Fabriken, Gebäude, Städte, Fahrzeuge und Verkehrssysteme abgebildet und simuliert werden, was ressourcenschonende virtuelle Tests ermöglicht. Das Industrial Metaverse hat also das Potenzial, zu einer nachhaltigeren und effizienteren Zukunft beitragen – von der Entwicklung einzelner Produkte bis hin zu Fabriken, Gebäude und Städten. Auch eine Demokratisierung der Technik soll möglich sein, sodass jeder ohne Angst vor Risiken oder hohen Zusatzkosten Teil der Innovation werden kann.

Die Bausteine des Industrial Metaverse sind sowohl bestehende als auch sich entwickelnde Technologien: wie digitale Zwillinge, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, erweiterte Realität, Blockchain sowie Cloud- und Edge-Computing. Diese Aspekte werden sich immer näher kommen, um eine leistungsfähige Schnittstelle zwischen der realen und der digitalen Welt zu schaffen, die größer ist als die Summe ihrer Einzelteile.

Industrielle Metaversum-Tools werden eine neue Ära der digitalen Lösungen von Problemen der realen Welt einläuten. Schließlich werden sie Unternehmen ermöglichen, Dutzende, Hunderte oder Millionen von Design-Iterationen in Echtzeit sowie in einer immersiven, physikbasierten Umgebung zu modellieren, zu prototypisieren und zu testen – und das, bevor sie physische und personelle Ressourcen für ein Projekt bereitstellen.

Annika Hauptvogel, Direktorin für Technologie- und Innovationsmanagement bei Siemens, beschreibt das industrielle Metaversum als „immersive, kollaborative Echtzeitumgebung, die so offen ist, dass verschiedene Anwendungen nahtlos miteinander interagieren können“.

„Das industrielle Metaversum ist schlichtweg die Folge unserer nächsten Phase der Digitalisierung“, erklärt Kevin O’Donovan, Co-Vorsitzender des Industrial Metaverse and Digital Twins Committee der VR/AR Association. „Tun Sie das nicht als den neuesten Hype ab“, sagt er. „Sie müssen einen Plan haben.“ Unternehmen reagieren auf die Herausforderung: Dabei sollen einige Empfehlungen den neu hinzukommenden Anwendern helfen, die Vorteile der Lösung zu nutzen.

Einer der wichtigsten Tipps: Unternehmen sollten sich stets die Relevanz von Interoperabilität und Offenheit digitaler Lösungen vor Augen halten – schließlich sind beide Faktoren Grundvoraussetzungen, um das industrielle Metaverse mit aufzubauen und Teil davon zu sein. Erfreulicherweise unternehmen einige Einrichtungen bedeutende Schritte, um universelle Standards und Protokolle für die Teilnahme am Metaversum zu schaffen. Das Metaverse Standards Forum zielt beispielsweise darauf ab, „Interoperabilitätsstandards für ein offenes Metaverse zu fördern“, indem es die Zusammenarbeit zwischen Normungsorganisationen und Unternehmen unterstützt.

Um das Industrial Metaverse zum Leben zu erwecken, ist eine umfangreiche sektorübergreifende Zusammenarbeit erforderlich, die Normen und Infrastruktur betreffen. Unternehmen können mit Zulieferern, Konkurrenten oder Kunden kooperieren: So lassen sich die komplexen Technologiepakete zusammenzustellen, die der Teilnahme am Metaverse zugrunde liegen.