Schneller Zugang, klare Informationen: Anvisa startet öffentliche Konsultation zu digitalen Beipackzetteln in Brasilien

Sede da Anvisa ( Agência de vigilância Sanitária)  em Brasília.
Sheila Zabeu -

Januar 02, 2024

Die brasilianische Gesundheitsbehörde Anvisa hat angekündigt, dass sie zwischen dem 20. Dezember 2023 und dem 19. März 2024 eine öffentliche Konsultation (CP 1.224/2023) zur Regelung der digitalen Packungsbeilagen von Arzneimitteln durchführt. Die Initiative ist im Gesetz 14.338 vorgesehen, das am 12. Mai 2022 verabschiedet wurde und landläufig auch unter dem Namen „Gesetz über die digitale Packungsbeilage“ bekannt ist. Sie ebnet den Weg ins papierarme Gesundheitswesen, um in Zukunft auf gedruckte Packungsbeilagen für bestimmte Arzneimittel zu verzichten.

Das Gesetz garantiert die Möglichkeit, einen zweidimensionalen Barcode (QR-Code) in die Arzneimittelverpackung einzubringen. Ziel ist es, Informationen über Zusammensetzung, Nutzen, Dosierung und Kontraindikationen von Arzneimitteln schnell lesen zu können. Außerdem wird der Interessent auf die digitale Packungsbeilage des Medikaments verwiesen und erhält Zugang zu weiteren Informationen wie Videos und anderen Anleitungen, die bei der korrekten Anwendung des Medikaments helfen.

Das Gesetz über die digitale Packungsbeilage wurde durch eine Änderung des Gesetzes Nr. 11.903 aus dem Jahr 2009 geschaffen. Es sieht die Einrichtung des Nationalen Arzneimittelkontrollsystems der Regierung vor, dessen Aufgabe es ist, Arzneimittel über die gesamte Produktionskette hinweg zu überwachen – von der Herstellung bis zur Anwendung durch Patienten.

Es ist vorgesehen, dass die digitalen Packungsbeilagen auf von der zuständigen föderalen Gesundheitsaufsichtsbehörde genehmigten Websites gehostet werden. Gleichzeitig müssen die jeweiligen Laboratorien und Pharma-Unternehmen in der Lage sein, ergänzende Informationen einzufügen – zusätzlich zu dem vollständigen und aktuellen Inhalt, der mit dem der gedruckten Packungsbeilage identisch ist. Es besteht ferner die Anforderung, dass das Format leicht zu lesen und zu verstehen ist und die Umwandlung des Textes in Audio- und/oder Videodateien mit einer geeigneten Anwendung möglich sind. Stichwort: Barrierefreiheit. Laboratorien und pharmazeutische Unternehmen müssen außerdem ein System zur Erstellung von Arzneimittelverteilungskarten unterhalten, um Chargen und Empfänger von Arzneimittellieferungen zu identifizieren. Das Gesetz sieht eine Frist von 12 Monaten nach der Verabschiedung des Systems für die Einführung der Systeme vor.

Nach dem Gesetzestext ist die gedruckte Packungsbeilage weiterhin erforderlich und kann nicht entfallen – außer in von Anvisa zu definierenden Fällen.

Wer an der öffentlichen Konsultation teilnehmen möchte, muss den Vorschlag mit den Leitlinien für die Einführung der digitalen Packungsbeilage lesen. Nach der Lektüre ist es möglich, Beiträge einzusenden. Nach Ablauf der Frist für die Einreichung von Vorschlägen wird die Anvisa diese auswerten und einen Analysebericht auf der eigenen Website veröffentlichen.

Wie sieht es in Europa aus?

Die Europäische Kommission überlässt es jedem Land, zu entscheiden, ob die Packungsbeilage in elektronischer oder in Papierform oder in beiden Formaten vorliegen soll.

Gegenwärtig werden Anweisungen zu Arzneimitteln, einschließlich Dosierung, Lagerung oder Nebenwirkungen, mittels einer Packungsbeilage in der Verpackung des Medikaments gegeben. Eine von der Europäischen Kommission am 26. April 2023 vorgelegte Neuformulierung des Rechtsrahmens für pharmazeutische Produkte sieht jedoch die Möglichkeit vor, das elektronische Format der Packungsbeilage im Prinzip beizubehalten.

Es muss jedoch gewährleistet werden, dass die Packungsbeilage auf Anfrage und ohne zusätzliche Kosten für Interessierte in Papierform erhältlich ist. Zudem ist es erforderlich, dass die Informationen in digitaler Form für alle leicht zugänglich sind, zum Beispiel durch einen digital lesbaren Code auf der Außenseite der Produktverpackung, der zur elektronischen Version der Packungsbeilage führt.

Auf der Suche nach einem Standard

Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sterben in Europa jedes Jahr etwa 200.000 Menschen vorzeitig an den Folgen einer unzureichenden Medikamenteneinnahme. Eine nicht ausreichende Arzneimittelversorgung kann bei Erwachsenen außerdem zu Kosten von bis zu 125 Milliarden Euro pro Jahr für vermeidbare Krankenhausaufenthalte, Notfallversorgung und ambulante Behandlungen führen.

Eine Möglichkeit, dieses Szenario zu entschärfen, stellt ein einheitlicher Standard für elektronische Arzneimittelinformationen (ePI) dar. Ein offizielles, strukturiertes Format für Packungsbeilagen und Merkmale von Arzneimitteln, das strukturierte Daten verwendet, würde die korrekte Veröffentlichung dieser Informationen für verschiedene Gruppen – von Patienten bis zu Angehörigen der Gesundheitsberufe – erleichtern.

Der von der HL7-Organisation entwickelte FHIR-Standard (Fast Healthcare Interoperability Resources) soll die Modellierung und Interoperabilität von Gesundheitsdaten, einschließlich Arzneimitteln, erleichtern. Er bietet verschiedenen Entwicklergemeinschaften eine leicht zu übernehmende Struktur, die auf gemeinsamen Standards basiert, die auch Nicht-Gesundheitsexperten vertraut sind.

Datapharm, ein Anbieter medizinischer Informationsplattformen, hat in Zusammenarbeit mit den wichtigsten pharmazeutischen und medizinischen Informationsorganisationen in Europa maßgeblich an der Entwicklung eines neuen ePI-Standards für Arzneimittel mitgewirkt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich einheitliche Regelungen in Bezug auf die digitale Packungsbeilage durchsetzen werden.