Datenzentren im All: Wie die EU das Vorhaben fördert

NTT Space Integrated Computing Network
Sheila Zabeu -

Dezember 02, 2022

Die Europäische Kommission will mit einem 27-köpfigen Exekutivgremium untersuchen, ob Datenzentren in der Erdumlaufbahn stationiert werden können. Die Studie findet im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon Europe mit einem Budget von 95,5 Mrd. Euro statt. Durchgeführt wird sie von Thales Alenia Space, einem Joint Venture zwischen der Thales-Gruppe und Leonardo (33 %) – beide Unternehmen bringen jede Menge Erfahrung in den Bereichen Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung und Sicherheit mit.

Der ökologische Fußabdruck digitaler Technologien stellt eine große Herausforderung für Europa dar. Denn die zunehmende Digitalisierung führt zu einem exponentiellen Wachstum von Rechenzentren, was wiederum enorme Energie- und Umweltauswirkungen zur Folge hat.

Das neue Projekt namens ASCEND (Advanced Space Cloud for European Net zero emission and Data sovereignty) zielt darauf ab, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Die Idee: In der Erdumlaufbahn sollen Rechenzentren installiert werden, die von Solarkraftwerken mit einer Leistung von mehreren hundert Megawatt gespeist sind. Die einzige Verbindung zum Erdboden wäre dabei eine Hochleistungs-Internetverbindung über optische Kommunikation – ein Verfahren, dessen zugrundeliegende Technologie Europa nach Angaben der Thales-Gruppe bereits beherrscht.

Im Rahmen der Forschungsarbeiten soll untersucht werden, ob die Kohlenstoffemissionen, die bei der Herstellung und dem Start der Weltrauminfrastruktur entstehen, im Vergleich zu terrestrischen Rechenzentren geringer ausfallen. Darüber wird überprüft, ob es möglich ist, die erforderliche Lösung zu entwickeln – und dabei die Einrichtung sowie die Betriebsfähigkeit von Weltraumrechenzentren mithilfe von Robotern, wie zum Beispiel dem EROSS IOD-Demonstrator, zu gewährleisten.

Außerdem soll ASCEND dazu beitragen, Europas Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 zu erreichen, was laut dem Konsortium ein beispielloser Durchbruch für das europäische Weltraum- und Digital-Ökosystem wäre. Kurz gesagt: Die Arbeit soll zeigen, inwieweit Weltraumrechenzentren die Energie- und Umweltauswirkungen ihrer terrestrischen Pendants einschränken und damit künftige Investitionen rechtfertigen würden.

Weitere Unternehmen, die der Studiengruppe angehören und über Fachwissen in komplementären Bereichen verfügen, sind Carbone 4, VITO (für den Bereich Umwelt), Orange, CloudFerro, Hewlett Packard Enterprise Belgium (Cloud Computing), ArianeGroup (Trägerraketen) sowie DLR, Airbus und Thales Alenia Space (Orbitalsysteme).

Auch Japan geht ins Rennen

Im Mai 2021 kündigten die japanische NTT Corporation und SKY Perfect JSAT eine Kooperation an, um ein neues Unternehmen im Raumfahrtsektor zu gründen. Ziel der gemeinsamen Arbeit ist der Aufbau einer neuen IT- und Telekommunikationsinfrastruktur im Weltraum, die eine nachhaltigere Gesellschaft gewährleisten soll.

Im Rahmen dieser Initiative wird NTT für die terrestrische Infrastruktur zuständig sein, während SKY Perfect JSAT die Weltraumtechnologien einschließlich Satellitenkommunikation und -übertragung, übernimmt. Dabei soll die Weltrauminfrastruktur sowohl hochgelegene und erdnahe als auch geostationäre Umlaufbahnen integrieren. Zudem wird sie über drahtlose optische Kommunikationsnetze mit dem Boden verbunden sein, um eine Komposition aus verteilten Datenzentren zu schaffen und so eine hohe Leistung zu erbringen.

Die in den Satelliten untergebrachten Datenzentren könnten beispielsweise Bilder sammeln, die jedoch nicht zur Verarbeitung an den Boden übermittelt, sondern in der Umlaufbahn bearbeitet werden. Gesendet würden dann nur die Ergebnisse mit dem höchsten Mehrwert, was eine enorme Zeit- und Kostenersparnis bedeutet.

Schaubild zur Vernetzung der einzelnen Komponenten im weltraumgestützten Computing Network
Quelle: NTT

Die Unternehmen bereiten sich darauf vor, die Satelliten zu starten und die Dienste ab 2025 anzubieten.

Rechenzentren auf dem Mond

Im April diesen Jahres kündigte das Start-up-Unternehmen Lonestar Data Holdings an, dass es eine Reihe von Rechenzentren auf der Mondoberfläche errichten will. Zu diesem Zweck hat die Firma bereits zwei initiale Missionen in die Wege geleitet, um die ersten Geräte zu transportieren.

Dabei sieht Lonestar den Mond als idealen Standort, um ein Premium-Segment der Datenspeicherindustrie zu bedienen – und gleichzeitig Lösungen für die erheblichen Umweltprobleme zu bieten, die durch das Wachstum von Rechenzentren auf der ganzen Welt entstehen.

Alles im Fluss

Das französische Start-up Denv-R will schwimmende Rechenzentren herstellen, die mit dem Wasser städtischer Flüsse gekühlt werden. Laut den beiden Gründern des Unternehmens sollen dadurch der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen um jeweils 40 % gesenkt werden. Die erste Demonstration ist im Juni 2023 auf der Loire in Nantes geplant.

Dabei wird die Lösung ein geschlossenes Kreislaufsystem ohne Wasserpumpen und ohne Klimaanlage verwenden – denn sie wird in einer schwimmenden Struktur aus recycelbarem Stahl untergebracht sein. „Rechenzentren sollten idealerweise so nah wie möglich an den Nutzern und Städten liegen. Allerdings ist das Bauland in den Städten knapp und teuer. Im Wasser gibt es Platz. So müssen wir weder den Boden künstlich aufbereiten, noch dicke Platten in den Gebäuden anbringen“, erklärt Vincent Le Breton, einer der Gründer von Denv-R, gegenüber der Website 20 Minutes. Die zehn Meter langen, acht Meter breiten und drei Meter hohen Anlagen werden mit autonomen Energiequellen, wie zum Beispiel Sonnenkollektoren, betrieben.

Die Kosten für die erste Version belaufen sich nach Angaben der Entwickler auf 900.000 Euro, davon fallen 500.000 Euro auf die Herstellung. Denv-R behauptet, billiger zu sein als seine terrestrischen Gegenstücke und kann nach eigenen Angaben zeitnah Aufträge annehmen – auch vom internationalen Markt.