Siemens und Microsoft entwickeln eine einheitliche Sprache für digitale Zwillinge

Digital twin industrial technology and manufacturing automation technology
Sheila Zabeu -

April 25, 2024

Siemens und Microsoft entwickeln das Internet der Dinge weiter: In Zusammenarbeit mit dem W3C-Konsortium möchten sie die Digital Twin Definition Language (DTDL) mit dem Thing Description Standard der internationalen Standardisierungsorganisation vereinen. Die Initiative zielt darauf ab, die Vereinheitlichung der beiden Sprachen voranzutreiben und somit eine konsistentere Modellierungserfahrung zu schaffen. Langfristig gesehen soll sich so die starke Fragmentierung innerhalb des sich entwickelnden IoT-Bereichs reduzieren.

Digitale Zwillinge sind virtuelle Nachbildungen von physischen Objekten, Prozessen oder Systemen, die in digitaler Form widergespiegelt werden. Sie ermöglichen eine effiziente Überwachung, Vorhersage und Verbesserung der Leistung von Anlagen durch schnelle sowie kostengünstige Simulationen.

Normalerweise verwenden Kunden eine Vielzahl von digitalen Zwillingslösungen unterschiedlicher Anbieter, was zu einem erhöhten Integrationsaufwand führt. Die Vereinigung der Sprachen DTDL und Thing Description wird die Einbindung und Interoperabilität von Systemen deutlich erleichtern.

Siemens hat bereits damit begonnen, den W3C-Standard für Thing Description in den Bereichen Gebäudemanagement, Energieverteilung und das intelligente Stromnetz zu unterstützen. Durch die Kompatibilität mit Microsoft Azure kann das Unternehmen seinen Kunden somit bedeutende Vorteile bieten.

Thomas Kiessling, Chief Technology Officer bei Siemens Smart Infrastructure, betont: „Die Zusammenführung von DTDL und W3C Thing Description ist ein wichtiger Schritt, der es Kunden ermöglichen wird, die physische Welt unabhängig von spezifischen IoT-Plattformen zu definieren. Diese strategische Allianz unterstreicht unser Engagement, zusammenzuarbeiten und offene Plattformen zu nutzen.“

Microsofts Digital Twin Definition Language ermöglicht die Modellierung der physischen Welt in Verbindung mit Azure-Diensten, während der W3C Thing Description-Standard eine interoperable Darstellung für Geräteschnittstellen bietet und branchenübliche Konzepte und Kategorien einbezieht. Beide Sprachen zeigen laut den Unternehmen viele konzeptionelle Ähnlichkeiten in den ersten Phasen der Konvergenz.

„Seit wir die Digital Twin Definition Language entwickelt und den Quellcode ihrer Spezifikationen und Referenzimplementierungen offengelegt haben, planen wir, sie durch einen Zusammenschluss wie das W3C zu standardisieren. Die Zusammenführung von DTDL und W3C Thing Description in enger Partnerschaft mit Siemens ist der natürliche nächste Schritt auf unserem Weg, digitale Zwillinge für alle zugänglich zu machen“, erklärt Erich Barnstedt, Chefarchitekt für Standards, Konsortien und Industrial IoT im Azure-Team von Microsoft.

Digitale Zwillinge für das gesamte Unternehmen?

Die Verfahrensweise ist durchaus realistisch und hat ein Akronym verdient, wie es in der IT-Welt immer der Fall ist: Die Einführung digitaler Zwillinge für das ganze Unternehmen ist als DTOs oder Digital Twins of Organizations bekannt. Es handelt sich dabei um ein relativ neues Konzept, das mit der zunehmenden Integration digitaler Technologien in der Wirtschaft an Dynamik gewinnt.

DTOs sind eine virtuelle und dynamische Darstellung einer gesamten Organisation, die Prozesse, Menschen, Systeme, Vermögenswerte und Daten berücksichtigt. Mit diesem Modell ist fällt die Analyse leichter, wie Prozesse und Systeme funktionieren und wo es Engpässe oder Ineffizienzen gibt. So lassen sich Anpassungen anschließend virtuell ausprobieren oder in der realen Welt anwenden.

Bei der Anwendung dieses Simulationsansatzes sollten einige Richtlinien von der Geschäftsführung beachtet werden, wie ein Forbes-Artikel schildert:

1) In der sogenannten „Discovery-Phase“ werden Daten aus verschiedenen Quellen gesammelt, integriert und analysiert. Künstliche Intelligenz kann in dieser Phase dabei helfen, Szenarien vorherzusagen und Simulationen durchzuführen – einschließlich der Nutzung von Natural Language Processing zur Bewertung von Strategien und Analysen von Markttrends.

2) Die Definition von spezifischen Zielen ist ein weiterer grundlegender Schritt. Es ist ratsam, mit einem ausgewählten Bereich zu starten und zu identifizieren, welche Systeme innerhalb dieses Bereichs liegen. Erst danach sollte das Modell auf andere Teile der Organisation ausgeweitet werden.

3) Die Verwendung bestehender Software-Ressourcen und Technologien ist Schritt Nummer drei. Viele Organisationen verfügen bereits über eine Vielzahl an ungenutzten Ressourcen, die im Entdeckungsprozess identifiziert und effektiv eingesetzt werden können – was zudem Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen kann.

Forbes betont, dass die Hauptprobleme von DTOs oft nicht technischer Natur sind, sondern im zwischenmenschlichen Bereich liegen. Als Stärke von DTOs zählt, Entscheidungen auf der Grundlage von Prognosen statt vergangener Ereignisse zu stützen. Sie vermeiden eine beträchtliche Menge an Überarbeitung sowie Neuplanung durch die kontinuierliche Überwachung von Prozessen, was zu aussagekräftigen Resultaten führt und die traditionelle Vorgehensweise grundlegend verändert.

Ein neuer Bericht von GlobalData prognostiziert, dass der Markt für digitale Zwillinge bis 2030 voraussichtlich 154 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate im Jahr 2019 lag bei 35,6 %.