Wie die Big Techs die Klimakrise anheizen

Sheila Zabeu -

Mai 27, 2022

Zum ersten Mal hat Microsoft Kennzahlen zum Energie- und Wasserverbrauch seiner Rechenzentren veröffentlicht. Auslöser hierfür war die Diskussion auf der Weltklimakonferenz COP26 im November 2021: Auf der Veranstaltung wurde erörtert, wie der Mangel an zuverlässigen und konsistenten Messungen den Fortschritt auf dem Weg zur „Netto-Null“ bei Treibhausgasemissionen (Net Zero) behindert.

Zusammen mit der ClimateWorks Foundation und 20 anderen Organisationen rief Microsoft die Initiative Carbon Call ins Leben. Ihr Ziel ist es, die Herausforderungen bei der Messung von Kohlenstoffemissionen in den beteiligten Betrieben zu überwinden und die Emissionsbilanzierung zuverlässiger und interoperabler zu machen. Darüber hinaus entwickelte Microsoft die Plattform Microsoft Cloud for Sustainability: Diese soll Unternehmen allgemein effizientere Möglichkeiten bieten, um verschiedene Datenquellen an einem Ort zu kombinieren und Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sie ihre Nachhaltigkeitsansätze verbessern können.

Als Ergebnis des Ganzen gibt Microsoft nun an, realistische Messungen durchführen zu können. Das Unternehmen hat die Zahlen der Rechenzentren weltweit und in den verschiedenen geografischen Regionen, in denen es tätig ist, erfasst – in Nord- und Südamerika, dem Asien-Pazifik-Areal und im EMEA-Wirtschaftsraum (Europa, Naher Osten, Afrika).

Eine der verwendeten Messgrößen ist die Power Usage Effectiveness (PUE): Sie zeigt an, wie viel Energie das Rechenzentrum in den Bereichen Strom, Kühlung, Beleuchtung, Server- und Netzwerkverarbeitung für seinen Betrieb verbraucht. Je näher der PUE-Wert an 1 heranreicht, desto effizienter ist die Energienutzung.

Microsoft hat sich verpflichtet, das Design und die Wartung seiner Rechenzentren kontinuierlich zu verbessern, um dem angestrebten Wert von 1 so nahe wie möglich zu kommen. In der nachstehenden Grafik zeigen die blauen Balken die geschätzten oder prognostizierten PUE-Werte, während die grauen die tatsächlichen PUE-Messungen der Microsoft-Einrichtungen darstellen. Im Beispiel weist Microsoft darauf hin, dass der tatsächliche PUE-Wert im asiatisch-pazifischen Raum am höchsten ist – zurückführen ließe sich das zum Teil auf die höheren Umgebungstemperaturen, die eine stärkere Kühlung der Rechenzentren erfordern.

Quelle: Microsoft

In ähnlicher Weise misst Microsoft die Water Usage Effectiveness (WUE) im Betrieb seiner Rechenzentren. Wie bei der PUE gibt es auch hier Variablen, die sich auf diese Zahl auswirken können – viele davon hängen mit dem Standort der Einrichtung zusammen. Rechenzentren in kälteren Regionen der Welt, wie beispielsweise in Schweden und Finnland, benötigen weniger Wasser zur Kühlung. Das folgende Diagramm zeigt (wie oben) die geschätzten oder prognostizierten WUE-Werte in Blau und in Grau die tatsächlichen Zahlen. Auch hier weist der asiatisch-pazifische Raum die höchsten WUE-Messwerte auf: Grund hierfür sei erneut das wärmere Klima und die damit verbundene Notwendigkeit der Wasserkühlung an einigen Orten.

Quelle: Microsoft

Microsoft weist darauf hin, dass das Unternehmen weiterhin Technologien zur Verringerung des Wasserverbrauchs einsetzt. Ein Beispiel wäre das Rechenzentrum in Phoenix, Arizona in den USA, wo die meiste Zeit des Jahres Außenluft zur Kühlung der Server verwendet wird. Außerdem nutzt man dort ein Direktverdampfungs-System, womit im Vergleich zu herkömmlichen wasserbasierten Kühlsystemen nur einen Bruchteil des Wassers benötigt wird. Darüber hinaus versorgt Solarenergie aus dem Projekt Sun Streams 2 das Rechenzentrum, um das bei der konventionellen Stromerzeugung verwendete Wasser zu ersetzen. So ließen sich im Jahr 356 Millionen Liter einsparen.

Dazu veröffentlichte Microsoft im vergangenen März seinen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht, in dem es Fortschritte bei den Scope-1- und Scope-2-Emissionen verzeichnete: Wegen des Einkaufs erneuerbarer Energien nahmen diese im Vergleich zum Vorjahr um etwa 17 % ab. Allerdings berichtet das Unternehmen im gleichen Zeitraum von einem Anstieg der Scope-3-Emissionen um 23 % – also bei dem Emissionstyp, der die gesamte Abgasmenge der kompletten Wertschöpfungskette des Unternehmens darstellt. Die Firma kommentiert, dass sie mit Partnern aus der Branche wie Infrastructure Masons zusammenarbeitet, um die Transparenz der Daten zu Kohlenstoffemissionen in der Lieferkette von Rechenzentren zu erhöhen.

Kontroversen

Zwar ist es wichtig, dass Unternehmen von der Größe Microsofts Nachhaltigkeitsdaten aus ihren Rechenzentren veröffentlichen und versuchen, ihre Emissionen zu reduzieren. Das Geld, das die großen Technologieunternehmen auf der Bank haben, untergräbt jedoch all diese Bemühungen.

Dies wird in dem Bericht „The Carbon Bankroll: The Climate Impact and Untapped Power of Corporate Cash“ (Die Klimaauswirkungen und die ungenutzte Macht von Unternehmensgeldern) dargelegt. Dieser liefert eine Analyse der versteckten Klimaauswirkungen der Finanzstrategie großer Unternehmen. Ziel ist es, das Ausmaß der Emissionen nachzuvollziehen, die durch Unternehmensgelder, Investitionen und Finanzpraktiken verursacht werden.

Die Studie wurde gemeinsam von den Umweltgruppen Climate Safe Lending Network (CSLN), The Outdoor Policy Outfit (TOPO) und BankFWD veröffentlicht. Das Konsortium untersuchte die Jahresabschlüsse der Big Techs, um herauszufinden, wie viel Bargeld sie zur Verfügung hatten. Anschließend berechnete es die Menge an umweltschädlichem Kohlenstoff, die jeder US-Dollar hervorgebracht haben könnte. Das Resultat: Verschiedene Unternehmen, darunter Microsoft, Google, Meta und PayPal, erzeugen durch Investitionen und Barmittel höhere Emissionen als durch alle anderen Unternehmensbereiche zusammen.

Nach den Berechnungen des Konsortiums hätten sich die Kohlenstoffemissionen von Google über Nacht tatsächlich um 111 % erhöht. Die Emissionen von Meta stiegen um 112 % an, die von Apple um 64 %. Bei Microsoft handelt es sich um einen speziellen Fall: Allein durch seine Investitionen und die 130 Milliarden US-Dollar, die das Unternehmen zur Verfügung hat, entstand im Jahr 2021 ein Emissionswert, der dem gemeinsamen Ausstoß aller anderen Sektoren gleich kommt – dazu gehören die Herstellung, der Transport sowie die Nutzung aller Produkte des Unternehmens weltweit.

Quelle: Carbon Bankroll

Bei Amazon verursachten im Jahr 2020 die insgesamt 81 Milliarden US-Dollar an Bargeld und kurzfristigen Investitionen mehr Emissionen als die Energie für die Stromversorgung aller Unternehmenseinrichtungen weltweit – einschließlich Rechenzentren, Fulfillment Center, Filialen und anderer Einrichtungen.

Alles in allem sind bei großen Unternehmen weltweit die Bargeldreserven die größte Emissionsquelle: Im Vergleich zu den zuletzt gemeldeten Emissionen erhöht sich dadurch der Gesamtausstoß um 91 bis 112 %. Für Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit zu kohlenstoffintensiveren Emissionen führt, sind diese baren Vermögensreserven eine der größten Abgasquellen und lassen die Gesamtemissionen zwischen 11 % und 15 % ansteigen – im Verhältnis zu den zuletzt mitgeteilten Messwerten.

Quelle: Carbon Bankroll

Die Studie von Carbon Bankroll schlägt vor, dass Unternehmen, die an der Dekarbonisierung ihrer Betriebs- und Energieversorgungsketten arbeiten, ihre Finanzketten miteinschließen. Möglich wäre dies, indem sie Druck auf die Banken ausüben, die Finanzierung fossiler Brennstoffe zu reduzieren. Auf diese Weise würden sie dazu beitragen, ihre eigenen Klimaziele zu erreichen und auch die Klimabilanz des Finanzsektors zu verbessern.