SpaceTech: Technologie verspricht Vorteile für Unternehmen

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Sheila Zabeu -

Juni 19, 2023

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Deloitte Consulting untersuchte Technologien, die für die Wirtschaft von heute vielleicht nicht anwendbar sind – für zukünftige Geschäftsstrategien aber vielversprechend erscheinen. In diesem Rahmen stellt die Studie fest: Besonders eine Technologieklasse hat von Unternehmen mehr Aufmerksamkeit verdient – SpaceTech.

Der Bericht hebt hervor, dass der Weltraum nicht mehr ausschließlich eine Domäne von Regierungsbehörden und privaten Raumfahrtunternehmen ist. Stattdessen identifiziert die Studie drei Arten von Geschäftsmöglichkeiten: die Erde, erdnahe Umlaufbahnen sowie den Weltraum. Sie sollten vom Top-Management der Unternehmen nicht unbeachtet bleiben.

  • Die Chancen hier auf der Erde zeigen, wie Fortschritte im Bereich der Trägerraketen und Raumfahrtzentren die Eintrittsbarrieren senken und den Zugang zum Weltraum demokratisieren.
  • Potenzielle Geschäftsmöglichkeiten in der Erdumlaufbahn berücksichtigen das florierende Ökosystem von Satelliten, Raumstationen sowie zugehörigen Dienstleistungen.
  • Business-Ansätze im Weltall erforschen ferne Grenzen mit dem Potenzial für wissenschaftliche Fortschritte, wirtschaftliche Aktivitäten und die Nutzung natürlicher Ressourcen.
Grafik von Deloitte, die anhand eines Fotos der Erde aus Weltraumperspektive die Möglichkeiten darlegt, wie Unternehmen die drei Geschäftsbereiche „Erde“, „nahe Umlaufbahnen“ und „Weltall“ nutzen können.
Quelle: Deloitte

„Die Raumfahrtindustrie tritt in eine Renaissance-Ära ein: Der Weltraum war noch nie so zugänglich wie heute – und das Potenzial für revolutionäre Entdeckungen war noch nie so groß. Es ist wichtig, dass Unternehmen aus allen Bereichen – also nicht nur die, die traditionell mit der Raumfahrt in Verbindung gebracht werden – mit der Planung ihrer Rolle in diesem aufstrebenden Markt beginnen“, erklärt Mike Bechtel, Chief Futurist und Managing Director bei Deloitte Consulting.

Hier, dort und in den Tiefen des Weltraums

Laut der Studie haben Business-as-a-Service-Modelle die Informationstechnologie demokratisiert – und bald dürften sie auch die Sichtweise der Unternehmen auf die Geschäftsmöglichkeiten verändern, die sich auf der Erde finden. Aktivitäten im Zusammenhang mit Trägerraketen sowie der Entwicklung von Raumfahrtzentren sind für die Geschäftswelt leichter zugänglich als je zuvor. Die häufigen und erheblichen Senkungen der Kosten für Raketenstarts schaffen ein lebendiges Ökosystem mit kommerziellen Aktivitäten, die Raumfahrzeuge und die Infrastruktur von Starthäfen umfassen. Auch weist der Bericht auf die Erfolgschancen von Regierungen und Privatunternehmen hin, die in den kommenden Jahren eine solche Infrastruktur aufbauen: Sie werden in der Lage sein, ihre Standorte als Kompetenzzentren zu etablieren und künftige Chancen der Weltraumwirtschaft zu nutzen.

Ein Beispiel: Im Jahr 2020 hat sich Microsoft mit SpaceX und SES zusammengetan, um ein neues Cloud-Computing-Unternehmen zu gründen, das im Weltraum operieren wird: Azure Space. Die Cloud-Plattform richtet sich an Privatunternehmen und Regierungsbehörden, die per Satellit gesammelte Daten nutzen, aber nicht in die Bodeninfrastruktur zur Verarbeitung und Analyse dieser Daten investieren wollen. In der Praxis hat Microsoft mobile Cloud-Computing-Rechenzentren – das Azure Modular Datacenter (MDC) – angeboten, die überall installiert und genutzt werden können. So soll auch eine Anwendung „abseits des Netzes“ möglich sein. Dafür hat das Unternehmen einen Vertrag mit den Internetsatelliten von Starlink abgeschlossen (SpaceX hat bisher mehr als 800 Satelliten gestartet). Außerdem erweiterte Microsoft seine Vereinbarung mit dem Unternehmen SES zur Nutzung seiner O3b-Satelliten.

Eine gemeinsam genutzte Weltraumwirtschaft kann den Zugang zu Fernerkundungsdaten wesentlich erleichtern, beschleunigen und sogar die Kosten verringern. Gleichzeitig ließe sich so eine günstigere universelle Breitbandkommunikation in entlegene Gebiete bringen. Dazu muss der Zugang zum Weltraum demokratisiert werden: Nanosatelliten sind ein Teil dieser Bemühungen.

Im Vergleich zu normalen Satelliten ist die Nano-Ausführung so groß wie ein Schuhkarton bei einem Gewicht zwischen 1 und 10 Kilogramm. Darüber hinaus lassen sich die Nano-Modelle in Massenproduktion fertigen, da hier gängige Standards sowie vorgefertigte Teile zum Einsatz kommen. All dies senkt die Entwicklungskosten für solche Geräte und erleichtert den Zugang zu dieser Technologie.

„Wichtig sind softwaredefinierte Komponenten, die sich mit neuen Funktionen sowie Techniken für eine schnellere Entwicklung kundenspezifischer Sensoren aktualisieren lassen. Mit dieser Ausstattung ist es möglich, die Kosten und den Zeitaufwand für die Bereitstellung neuer weltraumgestützter Dienste weiter zu senken. Weiterhin relevant sind die zunehmende Intelligenz der Satelliten sowie die Kommunikationsbandbreite zwischen diesen: Damit können sie als autonome Schwärme operieren und die Überwachungs- oder Signalübertragungsarbeit dem effizientesten Satelliten zuzuweisen“, schreibt Carsten Stöcker, Mitglied des Blockchain Global Future Council des Weltwirtschaftsforums, in einem Artikel auf der Website der Organisation.

Der Studie zufolge gibt es auch spannende neue Möglichkeiten im Bereich der Erdumlaufbahnen, insbesondere der niedrigen Umlaufbahn (in ca. 1.930 Kilometer Entfernung). Satelliten in diesen Umlaufbahnen lassen sich in Situationen einsetzen, die eine präzise Standortbestimmung, genaue Wettermessungen oder Konnektivität und hochwertige Bilder erfordern.

Um eine Vorstellung vom Umfang dieser Möglichkeiten zu bekommen: Im Jahr 2020 wurden mehr Satelliten gestartet als in den 20 Jahren zuvor zusammen. Laut Deloitte könnte allein der Markt des Low Earth Orbit (LEO) bis 2035 ein jährliches Volumen von 312 Milliarden US-Dollar erreichen. Das entspricht fast dem Achtfachen des Wertes von 2022. Die Geschäftsmöglichkeiten lassen sich in drei Hauptbereiche unterteilen:

  • Satellitenkommunikation zur Erweiterung des Internetzugangs für Unternehmen und Endnutzer
  • Satellitennavigation zur Bereitstellung genauer Orts- und Zeitangaben. Sie kann von verschiedenen Branchen genutzt werden – von autonomen Fahrzeugen bis hin zu zeitgestempelten Finanztransaktionen
  • Fernbeobachtung und Fernerkundung zur Bereitstellung hochwertiger Bilder der Erde – für Anwendungen wie Lieferketten, genaue Echtzeitverfolgung, Verkehr, Klimastudien, Umweltverschmutzung, Krankheitsausbreitung, Landwirtschaft und Bergbau

Vor allem das Internet der Dinge (IoT) profitiert von diesen Modellen. Eines der Unternehmen, die auf diese Technologie setzen, ist Airbus. In Partnerschaft mit dem Startup Astrocast hat das Unternehmen eine IoT-Lösung entwickelt, die mit der Konstellation von fünf Nanosatelliten des Startups integriert ist. Ziel ist die Förderung einer globalen Verbindung.

Nach Ansicht des brasilianischen Verbands der Satellitentelekommunikationsunternehmen (ABRASAT) funktioniert eine tatsächlich globale IoT-Konnektivität nur mithilfe von Satelliten. In diesem Fall wird durch die kostengünstigere und energieeffizientere Konnektivität von Nanomodellen die Gesamtzahl der angeschlossenen Sensoren vergrößert.

Die Innovation kann auch der Landwirtschaft zugutekommen: Sie ermöglicht den Zugang zu genaueren Prognosen auf der Grundlage von Daten, die von Sensoren auf dem Grundstück gesammelt werden. Auch die Überwachung durch Bilder ist ein Vorteil dieser Geräte für die Landwirtschaft. So haben laut Embrapa im Jahr 2020 bereits 18 % der Erzeuger Daten oder Bilder ihres Grundstücks genutzt, die von Fernsensoren (Satellit, Flugzeug, Vant und/oder Drohnen) stammen.

„Berücksichtigt man die geplanten Starts neuer Sensoren für Nano- und Mikrosatelliten, dürfte die Nutzung dieser Technologien bis 2022 sprunghaft ansteigen“, so Lúcio André de Castro Jorge, Forscher bei Embrapa Instrumentação.

Auch ABRASAT ist der Ansicht, dass „die Raumfahrtindustrie von der Nachfrage nach folgenden Faktoren angetrieben werden sollte: bessere Konnektivität für intelligente Geräte, IoT, eine stärkere Nutzung von Datenanalysen sowie der Umstellung auf Breitband-Streaming.“

Bedrohungen können jedoch auch aus dem Weltraum kommen: Die Gefahr von Kollisionen mit Trümmern, Satelliten und Weltraumschrott nimmt zu. Entscheidend ist deshalb, Objektbewegungen zu verfolgen sowie vorherzusagen. Wie bei vielen Aktivitäten können Risiken zu Chancen werden – so erklärt Deloitte, dass Technologieunternehmen Lösungen entwickeln können, um dieses offene Problem in der Raumfahrtindustrie anzugehen.

Ein weiterer Bereich der kommerziellen Erforschung sind Raumstationen, die das Potenzial haben, Drehscheiben für den Weltraumtourismus zu werden. Deloitte schätzt, dass der Markt für diese Tourismusform bis 2035 zwischen 1,8 und 3,3 Milliarden US-Dollar betragen könnte.

Forschung und Entwicklung (F&E) sowie die Fertigung sind weitere Tätigkeitsbereiche, die von Raumstationen profitieren können. Wie in dem Bericht erläutert wird, ist für Unternehmen mit den Umweltbedingungen im Weltraum die Möglichkeit verbunden, zu experimentieren und auf neue Weise zu produzieren. Eigenschaften, die ausschließlich im Weltraum zu finden sind, haben das Potenzial, Forschung und Entwicklung sowie die Produktion präziser zu gestalten. Dieser Prozess fängt bei Halbleitern und Glasfaserkabeln an und reicht bis hin zu Arzneimitteln, menschlichen Organen und Stammzellen.

Obwohl die Erforschung des Weltraums noch in den Kinderschuhen steckt und mit Unsicherheiten behaftet ist, birgt sie nach Deloittes Forschung eine Vielzahl an Möglichkeiten. Am meisten profitieren werden Nationen, die die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Langzeit-Weltraumfahrt bewältigen können: Sie werden erhebliche Vorteile in Form von wissenschaftlichen Fortschritten, wirtschaftlicher Aktivität sowie der Nutzung wertvoller natürlicher Ressourcen erzielen. Dasselbe gilt für die privaten Unternehmen, die diese Missionen unterstützen oder sogar leiten.

Es sind bereits Technologien im Test, die die Erforschung des Weltraums erleichtern sollen – beispielsweise eine dauerhafte menschliche Präsenz auf einer Mondbasis. Die Untersuchungen des Mars sind eine weitere Herausforderung in diese Richtung, die auf technologische Fortschritte wartet, um ökologische und logistische Hürden zu bewältigen.

Und was davon lässt sich in der Praxis nutzen? Zu den von Deloitte genannten Beispielen gehört der Abbau natürlicher Ressourcen: Er könnte dazu beitragen, eine stationäre menschliche Präsenz im Weltraum mit Nachschub an Ressourcen aufzubauen. Lockere, heterogene Oberflächenvorkommen, die festes Gestein auf dem Mond bedecken, ließen sich als Treibstoff für Weltraummissionen nutzen, sodass das Mitführen weiteren Treibstoffs nicht nötig wäre. Auch könnten die zahlreichen Helium-3-Vorkommen auf dem Mond sichere sowie saubere Kernfusionsreaktoren antreiben.

Laut Deloitte liegt die eigentliche Chance in Asteroiden im Weltall – aber diese Ressourcenquelle befindet sich noch in weiter Ferne. Der potenzielle Wert der in Asteroiden konzentrierten Materialien ist so groß, dass er in der Lage wäre, relevante Märkte hier auf der Erde tiefgreifend zu erschüttern – so der Bericht. Asteroiden enthalten oft große Vorkommen von Metallen, die auf der Erde selten sind. Rohstoffe dieser Art sind vor allem für die Elektronik- und Batterieherstellung unerlässlich.