IBM eröffnet das erste Quantenrechenzentrum in Europa

IBM Quantum Computer
Sheila Zabeu -

Juni 21, 2023

IBM, ein US-amerikanisches IT- und Beratungsunternehmen, plant die Eröffnung seines ersten Quantenrechenzentrums in Europa. IBM hat das Ziel, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Behörden den Zugang zu dieser fortgeschrittenen Art der Datenverarbeitung zu erleichtern. Das Rechenzentrum soll bereits bis 2024 in der IBM-Einrichtung in Ehningen, Baden-Württemberg, in Betrieb genommen werden. Nach Poughkeepsie in New York wird es das zweite Quantenrechenzentrum und damit die zweite Quanten-Cloud-Region von IBM sein.

Nutzer in Europa und auf der ganzen Welt werden die Dienste des Rechenzentrums für cloudbasierte Quantencomputer-Forschung und explorative Aktivitäten nutzen können. „Europa zählt bisher zu den fortschrittlichsten Nutzern von Quantencomputern. Doch das Interesse wird mit der Ära der Quantenprozessoren im kommerziellen Bereich noch weiter zunehmen“, erläutert Jay Gambetta, Vizepräsident von IBM Quantum. „Das geplante Quantenrechenzentrum und die zugehörige Cloud-Region werden den europäischen Nutzern neue Möglichkeiten bieten, die Leistung des Quantencomputers zu nutzen. Damit lassen sich einige der anspruchsvollsten Probleme der Welt lösen“, fügt er hinzu.

IBM betrachtet das cloudbasierte Quantencomputing als ein völlig neues Rechenparadigma, bei dem allerdings noch einige praktische Fragen zu klären sind. Nach Angaben des Unternehmens ist es keine leichte Aufgabe, klassische und Quantencomputing-Workflows effizient zu koordinieren: Schließlich unterliegen die weltweiten Rechnerressourcen und Daten unterschiedlichen Gesetzen sowie Datenschutzbestimmungen.

Quelle: IBM

Daher wird IBM zusammen mit dem neuen Rechenzentrum eine Software-Integration anbieten, um genau diese Herausforderungen anzugehen. Das Multi-Channel-Planungstool soll eine Schnittstelle zur Verwaltung der Zugriffe und Ressourcen in verschiedenen Regionen sowie Bereichen bieten. Beim Anbieter könnte es sich um eine Institution oder einen Kooperationspartner handeln, der den Benutzerzugriff bzw. die Daten verwaltet und die Quanten-Computing-Leistung mit internen oder externen klassischen Ressourcen kombiniert.

Das Planungstool soll es ermöglichen, dass IBM Quantum-Systeme sowohl im US-Quantenrechenzentrum als auch im neuen europäischen Quantenrechenzentrum Anwendung finden – unabhängig davon, wo sich der Anwender befindet, wie IBM im Unternehmens-Blog erklärt.

Auf das Quantennetzwerk von IBM greifen derzeit mehr als 60 europäische Unternehmen zu. Das System ist beispielsweise bereits bei Bosch und der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in Verwendung. Sie untersuchen potenzielle Anwendungen des Quantencomputing, unter anderem in den Bereichen Materialwissenschaft, Nachhaltigkeit und Finanzen.

Ehrgeizige Pläne

Das neue europäische Quantencomputerzentrum soll mehrere IBM-Quantencomputersysteme bereitstellen, die jeweils über Prozessoren mit mehr als 100 Qubits verfügen. IBM hat jedoch weitaus ehrgeizigere Pläne für die nahe Zukunft: Ziel ist es, bis 2033 über ein System mit 100.000 Qubits zu verfügen.

Für dieses Vorhaben sponsert IBM Forschungspartnerschaften mit der Universität Tokio sowie der Universität Chicago: Die Zusammenarbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung eines Systems, das Probleme lösen kann, bei der selbst die fortschrittlichsten Supercomputer an ihre Grenzen stoßen.

Die Zahl 100.000 Qubits kommt nicht von ungefähr. Auf dem IBM Quantum Summit 2022 stellte das Unternehmen den 433-Qubit IBM Quantum Osprey Prozessor vor – zusammen mit Optionen, um Quantenprozessoren auf Tausende von Qubits zu erweitern. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten jedoch noch unklar, so IBM: Mehrere Herausforderungen in den Bereichen Kosten, Chipleistung, Energie und Lieferkette erschweren die innovative Arbeit.

Laut dem Unternehmen muss mehr Grundlagenforschung in den Bereichen Physik, Technik und Informatik betrieben werden. Daher besteht auch die Notwendigkeit, Kooperationsinitiativen zu bilden. IBM stellte einen Weg vor, wie sie das Potenzial von Quantencomputern ausbauen möchten.  Damit das möglich ist, sind zuvor in vier Hauptbereichen weitere Fortschritte erforderlich: Quantenkommunikation, spezielle Middleware für Quantensysteme, Quantenalgorithmen und Fehlerkorrektur sowie Komponenten mit der entsprechenden Lieferkette.

Die Universität Tokio wird die Bemühungen zur Identifizierung, Skalierung und Demonstration von Quantenalgorithmen leiten. Außerdem plant sie, die Lieferkette für neue Bauteile, wie Kryogenik und elektronische Steuerung, zu entwickeln.

Parallel ist die Universität Chicago mit der Initiative betraut, die Quantenkommunikation im Bereich Quantenparallelisierung und -netzwerken voranzubringen. Zudem möchten sie die Middleware für Quantensysteme durch serverlose Quantenausführung, Techniken zum Circuit Knitting und physikalisch basierte Fehlerresistenz verbessern.

IBM ist sich der großen Herausforderung zwar bewusst. Der Konzern ist sich aber dennoch sicher, dass die Partnerschaft mit den beiden Universitäten die Entwicklung und Einführung eines Prozessors mit 100.000 Qubits bis 2033 ermöglichen wird.