Digitale Zwillinge beschleunigen die Markteinführung medizinischer Geräte

digital twin
Sheila Zabeu -

Mai 17, 2023

Die Unternehmensberatung Accenture hat über Accenture Ventures eine strategische Investition in Virtonomy getätigt: Dabei handelt es sich um einen Anbieter von Simulationslösungen, der Patientendaten und digitale Zwillingstechnologie nutzt, um Medizinprodukte schneller auf den Markt zu bringen.

Die Simulationslösung für digitale Zwillinge von Virtonomy ermöglicht es Herstellern von Medizinprodukten, virtuelle Patientenumgebungen für Tests zu schaffen. All das gelingt zu geringeren Kosten und mit weniger regulatorischer Komplexität. Die Lösung basiert auf einer wachsenden Menge an realen klinischen Daten. Diese spiegeln Faktoren wie anatomische Variabilität, demographische Vielfalt und pathologische Zustände wider.

„Die Technologie der digitalen Zwillinge – gepaart mit Daten, Analytik und künstlicher Intelligenz (KI) – eröffnet unendlich viele Möglichkeiten, den Life-Sciences-Sektor neu zu erfinden. Es muss jedoch immer eine solide Datenbasis vorhanden sein, um genaue Simulationen zu erstellen. Genau deshalb arbeiten wir mit Virtonomy zusammen, um eine Strategie für die Echtzeitdatenerfassung zu definieren, die hochwertige historische Daten sowie die kontinuierliche Überwachung und Validierung neuer Quellen einschließt“, sagt Tom Lounibos, Geschäftsführer bei Accenture Ventures.

So kann die Lösung von Virtonomy beispielsweise klinische Studiendaten verwenden, um virtuelle Umgebungen zu schaffen, in denen sich Medizinprodukte leicht konfigurieren, anpassen und validieren lassen. Potenzielle Auswirkungen sind sofort sichtbar. So spart dieser Ansatz Zeit und erfüllt dennoch regulatorische und ethische Anforderungen, wie die Unternehmen hervorheben.

Mit Hauptsitz in München, Deutschland, verfügt Virtonomy über ein interdisziplinäres Team von Experten in den Bereichen Medizintechnik, Bild- und Datenverarbeitung, Visualisierung und klinische Praxis.

Aus Sicht von Petra Jantzer, Senior Managing Director und Global Practice Leader bei Accenture Life Sciences, priorisieren sogenannte Medtechs die digitale Gesundheit, indem sie in Forschung und Entwicklung, Technologien, digitale Transformation und die Schaffung neuer Geschäftsmodelle investieren. „Die Technologie der digitalen Zwillinge von Virtonomy kann dazu beitragen, die Gestaltung von medizinischen Geräten in einer virtuellen Umgebung zu verbessern. Zudem wird es möglich sein, Entwicklungszyklen zu beschleunigen und Kosten, Risiken sowie regulatorische Barrieren zu reduzieren. Virtonomy erfindet die Art und Weise, wie Medizinprodukte sicher und schnell zum Patienten gebracht werden, neu“, stellt Petra Jantzer fest.

„Die Medizinprodukteindustrie ist mit immer komplexeren Entwicklungsprozessen konfrontiert, die Risiken sowie Kosten verursachen und die Zeit bis zur Markteinführung verlängern. Die Technologie der digitalen Zwillinge kann helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen. Die Expertise von Accenture in den Bereichen Strategie und Datenmanagement wird Virtonomy dabei helfen, die bestehenden klinischen Datenbanken um wichtige Informationen und Erkenntnisse zu erweitern. Diese wiederum können den Herstellungsprozess von Medizinprodukten optimieren“, sagt Simon J. Sonntag, Mitgründer und CEO von Virtonomy.

Die genannte Investition ist Teil des Spotlight-Projekts von Accenture Venture, das sich an aufstrebende Softwareunternehmen richtet, die dazu beitragen können, strategische Innovationslücken zu schließen. Zusätzlich zur Bereitstellung von Kapital bietet das Projekt außerdem Zugang zum Technologie-Know-how von Accenture und seinen Unternehmenskunden.

Wie in jeder anderen Branche müssen auch in der Medizin bestimmte Schritte im Entwicklungszyklus neuer Produkte und Geräte eingehalten werden. Dies kostet unter Umständen viel Zeit und Geld – insbesondere die für die Zulassung erforderlichen Tests. Oft umfasst der Zulassungsprozess auch Tier- und Humanversuche, die aufgrund unbefriedigender Ergebnisse wiederholt werden müssen, was die Entwicklungszeit wiederum in die Länge zieht.

Quelle: Virtonomy

Lassen sich diese Versuche also abschaffen? Nicht nur unter ethischen Gesichtspunkten sollten Tierversuche in Frage gestellt werden – auch in Anbetracht der oft unterschätzten Dauer sowie Kosten ergibt es Sinn, Alternativen zu finden: Nach Angaben von Virtonomy kann die Zulassung bestimmter Produkte bis zu zehn Jahre dauern. Die in diesem Zeitraum anfallenden Kosten belaufen sich nicht selten auf 100 Millionen Euro oder sogar mehr. Außerdem ist es möglich, dass ein solcher Versuchszyklus einige Male wiederholt werden muss, bis die Zulassung erreicht ist.

Vor diesem Hintergrund schlug Virtonomy vor, auf virtuelle Patienten zurückzugreifen – und zwar bereits in der Phase der Prototypenerstellung eines Medizinprodukts. Virtuelle Patienten sind interaktive Simulationen im Gesundheitsbereich, die sich zur Bewertung und Festlegung von Diagnosen oder therapeutischen Entscheidungen einsetzen lassen.

Die Entwickler können ihren Entwurf noch vor der Erstellung eines Prototyps validieren und dann die notwendigen Änderungen vornehmen. So lässt sich sicherstellen, dass der endgültige Entwurf zur Patientenzielgruppe passt. Darüber hinaus ist es möglich, das Medizinprodukt bei einer größeren Anzahl von Patienten zu testen, z. B. Menschen beiderlei Geschlechts mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund, Alter und Körperbau.

Quelle: Virtonomy

Tiermodelle haben das Potenzial, Tierversuche erheblich zu reduzieren, sagt Virtonomy. Ein praktisches Beispiel dafür, wie wirksam virtuelle Tiermodelle sind, stammt von dem schwedischen Hersteller eines vollständig künstlichen Herzens, RealHeart. Das ursprüngliche Design des Geräts wurde mithilfe virtueller Patienten an die Anatomie der gewünschten Tierart und -rasse angepasst. Außerdem ließ sich durch die Nutzung eines 3D-Visualisierers das Implantationsverfahren genauer abstecken, was erfolgversprechende Resultate nach sich zog: Im Gesamten wurde der Zulassungsprozess verschlankt und beschleunigt.