WiFi-Sensing: Wie WLAN-Router Atemprobleme erkennen

Doctor in white coat is using a WiFi connection
Sheila Zabeu -

Dezember 29, 2022

WiFi-Router haben das Potenzial, neue Verbündete in der Gesundheitsvorsorge zu sein: Der Deep-Learning-Algorithmus BreatheSmart könnte künftig in der Prävention von Atemproblemen eine wesentliche Rolle einnehmen. Er wurde vom National Institute of Standards and Technology (NIST), einer US-Organisation, entwickelt und kann winzige Veränderungen in der Übertragung von Routern analysieren – und so helfen festzustellen, ob jemand in der Umgebung Atemprobleme hat. Doch wie funktioniert das Ganze?

WiFi-Router senden ständig Funkfrequenzen aus. Diese werden reflektiert oder durchdringen Wände, Möbel und sogar den menschlichen Körper. Genau hier kommt der Algorithmus der künstlichen Intelligenz (KI) ins Spiel. Körperbewegungen – einschließlich Atembewegungen – verändern den Signalweg geringfügig und können anzeigen, ob jemand Atemprobleme hat.

Die frühere Forschung des NIST befasste sich mit der Verwendung von WiFi-Signalen zur Identifizierung von Personen oder Bewegungen. Oftmals erforderten die untersuchten Lösungen spezielle Devices, zudem waren die Ergebnisse limitiert. In der Zusammenarbeit mit anderen Forschern des Food and Drug Administration’s (FDA) Center for Devices and Radiological Health fand man einen neuen Weg, aktuelle WiFi-Router-Modelle zu nutzen, um die Atemfrequenz einer Person in der Umgebung zu messen.

Wie funktioniert das Ganze genau? Die WiFi-Technologie sendet Signale vom Gerät (einem Mobiltelefon oder Laptop) an den Zugangspunkt (den Router). Da diese vom Gerät gesendeten Signale immer gleich sind, weiß der Zugangspunkt bereits, wie sie empfangen werden sollen. Auf ihrem Weg durch die Umgebung werden sie jedoch verzerrt – beispielsweise, wenn sie an Gegenständen abprallen. Das wirkt sich schlussendlich auch auf die Signalstärke aus. Der Zugangspunkt analysiert dann den Anteil der Verzerrung, um die Verbindung anzupassen und zu optimieren. Diese grundlegende Funktionalität machten sich die Forscher zunutze.

Das Team änderte die Firmware des Routers, um die Signalströme häufiger abzufragen – bis zu 10 Mal pro Sekunde. So gelang es, ein detailliertes Bild davon zu erhalten, wie sich die Signale veränderten. Während der Forschungsarbeiten nahm eine Puppe die zentrale Rolle ein: Sie ahmte verschiedene Atemzustände nach: von normaler Atmung bis hin zu abnorm langsamer (Bradypnoe), abnorm schneller (Tachypnoe), Asthma, Lungenentzündung und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).

Die Forscher konnten beobachteten, dass sich die WiFi-Signale änderten, wenn sich der Körper während der Atmung bewegt: So macht der Brustkorb beim Keuchen oder Husten andere Bewegungen als bei normaler Atmung. Die Forscher zeichneten die Daten aus den Signalströmen auf und analysierten sie mithilfe des vom NIST entwickelten Deep-Learning-Algorithmus BreatheSmart. Es gelang, Muster zu erkennen, die auf verschiedene Atemprobleme hinweisen. Interessant ist dabei die Trefferquote: Der Algorithmus klassifizierte in 99,54 % der Fälle verschiedene Atemmuster, die mit der Testpuppe simuliert wurden, erfolgreich.

Den Forschern zufolge gibt es ein großes Interesse an der Nutzung von WiFi-Signalen für Sensing-Programme (WiFi Sensing). Sie hoffen, dass App-Entwickler den in der Arbeit vorgestellten Prozess als Rahmen nutzen werden, um Lösungen für die Fernüberwachung der Atmung zu entwickeln.

Das NIST-Papier wurde kürzlich in IEEE Access veröffentlicht.

Mehr über WiFi-Sensing

Die WiFi-Sensing-Technologie wird vor allem zur Erkennung und Auswertung von Anwesenheits- und Bewegungsdaten eingesetzt. Im Allgemeinen erfolgt die Arbeit in zwei Stufen: Zunächst erfolgt die Vorverarbeitung und Filterung der von den WiFi-Geräten stammenden Rohdaten (Daten, die als CSI oder Channel State Information bekannt sind); danach geht es an die Verarbeitung auf höherer Ebene, bei der künstliche Intelligenz und Algorithmen des maschinellen Lernens eingesetzt werden. Sie analysieren die Daten und wenden diese auf anspruchsvollere Interpretationen, wie z. B. Atemprobleme, an.

Obwohl die WiFi-Sensing-Technologie mehrere Vorteile bietet, wie z. B. eine einfache Installation, Datenschutz, Interoperabilität und Erkennung außerhalb der Sichtlinie, gibt es auch Einschränkungen. Dazu gehören:

Obwohl die WiFi-Sensing-Technologie mehrere Vorteile bietet, wie z. B. eine einfache Installation, Datenschutz, Interoperabilität und Erkennung außerhalb der Sichtlinie, gibt es auch Einschränkungen. Dazu gehören:

2) Signalverdeckung, wenn Objekte die Übertragung behindern;

3) Sie ist nicht für den Einsatz in offenen oder überfüllten Umgebungen geeignet, welche die Signalstärke verringern;

4) Die Übertragungsdistanz ist begrenzt.

Die IEEE 802.11bf-Gruppe arbeitet an der Entwicklung eines neuen Standards speziell für die WLAN-Sensorik, der bis 2024 fertiggestellt sein soll. Angesichts des breiten Spektrums an Anwendungsfällen, insbesondere im Internet der Dinge (IoT), im Gesundheitswesen und in intelligenten Häusern, dürfte es schon bald eine Welle von Produkteinführungen mit WiFi-Sensing-Funktionen geben.

So könnte WiFi Sensing beispielsweise eine Option für die Überwachung des Gesundheitszustands älterer Menschen sein, die keine Wearables tragen wollen. Auch die Automobilindustrie könnte die Technologie einsetzen, um zu verhindern, dass Familien ihre Kinder versehentlich auf dem Rücksitz eines Fahrzeugs zurücklassen. In der Gebäude- und Immobilienverwaltung könnte WiFi-Sensing für Sicherheitszwecke und zur Automatisierung von Beleuchtungs- und Kühlsystemen eingesetzt werden.

Intel verwendet die WiFi-Sensing-Technologie bereits in seiner Core-Prozessorfamilie der 13. Generation. Sie erkennt, wenn sich eine Person dem Gerät nähert und holt es aus dem Standby-Modus. Ebenso kann WiFi-Sensing erkennen, wenn eine Person den Arbeitsplatz verlässt, und den Computer automatisch sperren.

Weitere Funktionen, die auf dieser Technologie basieren, befinden sich derzeit noch in der Entwicklung – darunter die Erkennung von Atembewegungen und anderen körperlichen Aktivitäten. Ein erster Prototyp wurde im vergangenen September auf der Intel-Innovationsveranstaltung vorgestellt. Intel gab bekannt, dass sich das Unternehmen künftig stark in der IEEE 802.11bf Arbeitsgruppe engagiert und dass Erkennungssysteme über WiFi für neue, unternehmensspezifische Lösungen unerlässlich werden.