Sensoren für einen effizienten Düngemitteleinsatz

farm IoT
Sheila Zabeu -

August 22, 2023

Die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung hängt maßgeblich von einer effizienten, düngemittelbasierten Landwirtschaft ab. Das Problem: Seit Ausbruch des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich der Düngemittelpreis mehr als verdreifacht. Neben den bereits bestehenden Versorgungsproblemen lösen auch die Auswirkungen der energieintensiven Düngemittelproduktion auf die Umwelt Bedenken aus: Weltweit verbraucht der Herstellungsprozess des in Düngemitteln verwendeten Ammoniaks etwa 1 % aller fossilen Brennstoffe und verursacht 1 % aller Kohlendioxidemissionen. Doch wie lässt sich diese Herausforderung bewältigen?

Eine neue Technologie der Technischen Universität München (TUM) soll in Zukunft eine schnelle, einfache und präzise Düngung ermöglichen. Die Methode nutzt eine Kombination aus Biosensorstreifen und über Satellit gesammelte Daten. Die Technik ist darauf ausgerichtet, den Nährstoffgehalt von Getreide und die optimale Düngemenge präzise festzustellen. Diese digitalen Analysedaten werden direkt an die Traktoren übermittelt, was nicht nur eine unnötige Überdüngung vermeidet, sondern gleichzeitig wertvolle Zeit einspart.

Die Forscher vergleichen die Methode mit einem Blutzuckertest: Dafür werden zuerst Pflanzen an mindestens drei verschiedenen Stellen im Feld entnommen. Anschließend genügt ein einziger Tropfen Pflanzensaft der gesammelten Proben, um den Nitratgehalt mithilfe eines kompakten Geräts zu messen.

Die Testresultate sind innerhalb weniger Minuten verfügbar und dienen zur Kalibrierung der Fernerkundungsdaten. Diese werden durch das Copernicus-Programm der Europäischen Union, dem europäischen Dienst für Erdbeobachtung, mithilfe von Satelliten bereitgestellt. Durch die Kombination präziser Vor-Ort-Messungen und Daten der Erdbeobachtungssatelliten wird eine genaue Berechnung der erforderlichen Stickstoffdüngemenge für das jeweilige Feld ermöglicht.

Nach Einschätzung der TUM-Forscher lassen sich mit dieser Methode bis zu 20 % des im Getreideanbau benötigten Düngemittels einsparen.

Laut dem deutschen Umweltbundesamt wird die Hälfte des in der Landwirtschaft eingesetzten Stickstoffdüngers von den Pflanzen nicht absorbiert. Überflüssige Düngemittelreste verbleiben in der Natur und hinterlassen Spuren im Boden und Wasser. Die Berechnung der Düngemenge für Pflanzen erfolgt in der Regel anhand mathematischer Gleichungen mit standardisierten Parametern oder basiert auf Erfahrungswerten. Darüber hinaus ist es zwar möglich, den Ernährungszustand der Pflanzen durch Laboranalysen zu bestimmen, doch ist dies sehr zeit- und kostenaufwendig. Daher war diese Methode für den Einsatz auf dem Feld bisher kaum praktikabel.

Der Schwerpunkt der TUM-Forschung liegt zunächst auf der Stickstoffversorgung von Getreidepflanzen. Zukünftig steht auch die Analyse des Pflanzen-Ernährungszustands anhand von Phosphat und Kalium auf der Agenda. Die Prototypen dieser innovativen TUM-Diagnosemethode sollen auf dem Markt frei erhältlich sein. Die Forscher schätzen, dass die Kosten für die Anwendung der neuen Technologie bei etwa 20 Euro pro Hektar liegen werden.

Die Feldversuche der Innovation werden noch in diesem Jahr gestartet. Kooperationen mit regionalen Anbietern von landwirtschaftlichen Geräten ermöglichen den TUM-Forschern, wertvolle Erkenntnisse von einer Vielzahl an Nutzern zu gewinnen. Die Ergebnisse aus den Praxistests werden innerhalb der kommenden drei Jahre in die Weiterentwicklung des Verfahrens einfließen.

Die TUM wurde für ihr Forschungsprojekt zur präzisen und effizienten Düngemittelverwendung mit einem Stipendium des Europäischen Innovationsrates (EIC) honoriert. Das EIC unterstützt Forscher finanziell bei der Entwicklung innovativer Technologien für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Sensoren vor Ort

An der Pennsylvania State University (Penn State) in den Vereinigten Staaten haben Forscher einen Multiparameter-Sensor entwickelt. Dieser Sensor ist in der Lage, Temperatur- und Stickstoffsignale zu entkoppeln, um die Bodenbedingungen präzise zu messen. Diese Innovation unterstützt Landwirte dabei, die optimale Düngemenge für das Pflanzenwachstum zu bestimmen.

„Das Wachstum der Pflanzen wird auch von der Temperatur beeinflusst, welche wiederum eine Auswirkung auf die physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Vorgänge im Boden hat. Die fortlaufende Überwachung dieser Bedingungen eröffnet uns die Möglichkeit, gezielte Strategien und Maßnahmen für Landwirte zu entwickeln, wenn die Temperaturen für das Pflanzenwachstum entweder zu hoch oder zu niedrig ausfallen“, erläutert Li Yang, Mitautor der Studie und Professor an der School of Artificial Intelligence an der Hebei University of Technology in China.

Gase, Temperatur und Schwankungen der relativen Luftfeuchtigkeit können die Messwerte von Sensoren beeinflussen – allerdings ohne dabei zwischen den Parametern zu unterscheiden. Mechanismen zur unabhängigen Messung von Stickstoffgas und Temperatur waren laut den Forschern nur schwer zu finden. Daher hat das Forschungsteam selbst einen leistungsstarken Multiparameter-Sensor entwickelt: Er löst das Problem und entkoppelt die Messwerte von Bodentemperatur und Stickstoffgehalt.

„Die simultane Erfassung von äußerst niedrigen Stickoxidkonzentrationen und feinen Temperaturänderungen bietet die Möglichkeit zur Entwicklung multimodaler elektronischer Geräte – mit unabhängigen Messmechanismen für die Präzisionslandwirtschaft, Gesundheitsüberwachung und weitere Anwendungen“, erklärt Huanyu Cheng, außerordentlicher Professor für Ingenieurwissenschaften und Mechanik an der Penn State.