BCG: Quantensensoren haben großes Marktpotenzial

quantum sensor
Sheila Zabeu -

August 11, 2023

Quantencomputer und ihre Qubits erhielten in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit. Als Forschungsbereich der Physik und des Ingenieurwesens stehen hier die Eigenschaften subatomarer Teilchen im Fokus. Inzwischen findet das Thema allerdings auch bei Sensoren Anwendung. Dabei handelt es sich also genau um den Bereich mit dem größten Potenzial für den praktischen Einsatz in Photovoltaikzellen, Halbleitern, medizinischen Bildgebungsgeräten sowie in der Verteidigung – wie ein aktueller Artikel der Boston Consulting Group (BCG) erläutert.

Prognosen der BCG zufolge sollen im nächsten Jahrzehnt neue Anwendungen für die Quantensensortechnologie mit hoch transformativen Auswirkungen entstehen. Etwa 1.600 Patente wurden bereits erteilt. Start-ups haben bis 2022 in etwa 2 Mrd. US-Dollar aufgebracht. Diese Zahlen sind erste Anzeichen, dass der gesamte adressierbare Markt für diese Art von Sensoren bis 2030 auf 3 bis 5 Mrd. US-Dollar anwachsen wird – was einem Anteil von 2 bis 3 % am gesamten Sensormarkt entspricht. Untersuchungen von IDTechEx gehen davon aus, dass die Anwendungen von Quantensensoren in Elektrofahrzeugen, GPS-freien Navigationssystemen, medizinischer Bildgebung sowie Quantencomputern ein Volumen von 7,1 Mrd. US-Dollar erreichen werden. IDTechEx deckte dabei einen Zeithorizont bis 2044 ab.

Die extreme Empfindlichkeit von Quantensensoren ermöglicht eine hohe Genauigkeit bei verschiedenen Messarten wie Zeit, Frequenz, Beschleunigung, Temperatur oder Druck. Nach Ansicht der BCG können mehrere Szenarien von dieser Genauigkeit profitieren, darunter mittel- und langfristig auch Konsumgüter. Die BCG teilt dabei die Quantensensoren in fünf Hauptanwendungsbereiche ein:

1. Elektromagnetische Sensoren: Sie dienen zur dynamischen und hochgenauen Messung elektromagnetischer Felder, beispielsweise zum Abfangen von Nachrichten im Verteidigungsbereich oder zur Aufzeichnung der Gehirnaktivität in der Diagnostik.

2. Bildgebung: Durch Verbesserung der Auflösung und Reichweite von Bildern kann die Quantentechnologie genauere 3D-Karten erstellen sowie präzisere Messungen vornehmen. Mitunter helfen Quantenradare dabei, Objekte zu erkennen und zu lokalisieren.

3. Gravimeter und Gradiometer: Diese Geräte messen die Stärke sowie Veränderungen eines Gravitationsfeldes und dienen der Überwachung geophysikalischer Phänomene.

4. Thermometer und Barometer: Sie können die Temperatur und den atmosphärischen Druck genauer bestimmen. Dadurch lässt sich die Messung von Umweltparametern (z. B. in Flugzeugen) verbessern.

5. Querschnittliche Anwendungen: Sensoren kommen hier kombiniert mit Quantencomputing oder zur Kommunikation für Wettervorhersagen, Betrugserkennung, Verkehrsoptimierung sowie mit anderen Anwendungen zum Einsatz.

Die Boston Consulting Group warnt vor den größten Herausforderungen bei der Einführung von Quantensensoren: die Vorlauf- und Betriebskosten sowie die derzeitige Unklarheit über die Vorteile, die diese neue Technologie bieten kann. Dazu kommen Integrationsschwierigkeiten, die begrenzte Skalierbarkeit sowie die derzeit noch fehlende Standardisierung.

Die BCG fügt hinzu, dass jede Stufe der Quantensensor-Wertschöpfungskette, die aus Komponenten, den Sensoren selbst, Anwendungen sowie Dienstleistungen besteht, unterschiedlich schnell reift. Deshalb ist es schwierig vorherzusagen, wie sich der Markt in den kommenden Jahren entwickeln wird. Haupttreiber des Quantensektormarktes ist das Militär: Grund dafür sind der strategische Charakter der Verteidigungsindustrie sowie ihre geringe Preisempfindlichkeit im Vergleich zu anderen Branchen.

Drei weitere Sektoren werden voraussichtlich in Kürze von den Quantensensoren profitieren: das Gesundheitswesen, die Elektronikbranche sowie die Bereiche Geologie und Energie.

„Google Maps“ für den Untergrund

Delta g ist ein neues Unternehmen, das aus einer Ausgründung der Universität Birmingham hervorgegangen ist. Der Betrieb hat vor Kurzem 1,5 Mio. Pfund an Investitionen erhalten, um die kommerzielle Verfügbarkeit von Quantensensoren zur Kartierung unterirdischer Infrastrukturen zu beschleunigen.

Das Unternehmen nutzt eine Technologie, die an der Universität Birmingham im Rahmen eines Zentrums für Quantensensortechnologie entwickelt wurde. Ziel ist es, die Effizienz großer Infrastruktur- und Reparaturprojekte zu verbessern. Hierfür werden komplexe sowie schlecht sichtbare Standorte schnell, genau und ohne Ausgrabungen kartiert.

Infrastrukturprojekte, wie zum Beispiel Straßenbauarbeiten, sind auf genaue Oberflächen-Informationen über die Oberfläche angewiesen, um unterirdische Standorte zu visualisieren. Die heutigen Kartierungsinstrumente kommen jedoch häufig an ihre Grenzen: Sie sind nur unzureichend dazu fähig, über die oberen Schichten hinaus zu sehen. Dazu führen sie bei unterschiedlichen Bodenverhältnissen und in Umgebungen mit starken Vibrationen uneinheitliche Messungen durch – was zu einem hohen Zeit- und Kostenaufwand führt.Die Arbeit von Delta g baut auf den Forschungsarbeiten zur Gravitationsgradiometrie auf, die in den letzten zehn Jahren in Birmingham durchgeführt wurden. Diese Bemühungen gipfelten in der weltweit ersten Felddemonstration eines praktischen Quantensensors zur Erkennung unterirdischer Infrastrukturen, so die Wissenschaftler.

Delta g konzentriert sich auf einen neuen Ansatz zur Kartierung komplexer Untergründe. Nach Angaben des Unternehmens wird dies zur Erstellung eines „Google Maps für den Untergrund“ führen – und zwar schnell, exakt, kostengünstig und skalierbar. Der potenzielle Nutzen wird sich dabei auf Sektoren wie das Baugewerbe und die Versorgungswirtschaft erstrecken.

„Es ist spannend, die Investitionen in Quantensensoren zu verfolgen. Schließlich werden sie zur Entwicklung neuer Werkzeuge genutzt, die Vorteile für Anwendungen im gesamten Bauwesen bringen sollen“, erklärt Michael Holynski, Professor für Quantensensorik an der Universität von Birmingham und Gründer von Delta g.