Agrovoltaik: Vorteile für Landwirtschaft und Energieerzeugung

Agrivoltaics in Colorado
Sheila Zabeu -

März 14, 2023

Der Agrarsektor musste sich in den vergangenen Jahren verschiedenen Herausforderungen stellen: Extreme Wetterbedingungen, gewaltsame Konflikte sowie der Mangel an Betriebsmitteln und Arbeitskräften gefährdeten die bisherigen Fortschritte – und somit auch die Ernährungssicherheit für die Weltbevölkerung. Doch auch in der Landwirtschaft können neue Technologien zu mehr Effizienz, Stabilität und Nachhaltigkeit beitragen.

Eine dieser Technologien ist die agrovoltaische (oder voltaische) Landwirtschaft: Dabei werden Pflanzen unter Sonnenkollektoren angebaut, um das Land gleichzeitig für die Nahrungsmittel- und Energieproduktion zu nutzen. Dies erhöht die Effizienz der Flächennutzung und ermöglicht es Landwirtschafts- und Solarfarmen, die Areale gemeinschaftlich zu bewirtschaften statt miteinander zu konkurrieren.

Forschungsergebnissen zufolge bieten Agrovoltaiksysteme zudem ein erhebliches Potenzial: So können die Paneele zu einer passiven Kühlung, der Bedeckung des Bodens und im Vergleich zu traditionellen Solarfarmen auch zu höheren Evapotranspirationsraten beitragen – und damit sowohl die landwirtschaftliche Produktion als auch die Leistung sowie die Langlebigkeit der Solarmodule verbessern.

Darüber hinaus haben Forscher der Cornell University einige Studien durchgeführt, um die potenziellen Vorteile von Agrarvoltaiksystemen in Bezug auf die Nahrungsmittel- und Energieproduktion zu ermitteln. Auch in dieser Untersuchung zeigte sich, dass die Kombination der beiden Systeme nicht nur möglich ist, sondern sogar zur Verbesserung des Mikroklimas und der Oberflächentemperatur von Photovoltaikmodulen beiträgt.

„Zum ersten Mal verfügen wir über ein physikalisch fundiertes Instrument zur Kosten-Nutzen-Planung bei der Zusammenlegung von Solarmodulen und landwirtschaftlichen Kulturen – vor allem unter dem Gesichtspunkt der Energieumwandlungseffizienz und der Langlebigkeit von Solarmodulen“, erklärt Henry Williams, Hauptautor der Studie an der School of Engineering der Cornell University.

Dennoch gibt es Hürden: In New York werden beispielsweise etwa 40 % der Kapazität von Solarkraftwerken in kommerziellem Maßstab auf landwirtschaftlichen Flächen erzeugt. Laut einer früheren Studie werden zugleich 84 % der Flächen, die für die Erzeugung von Solarenergie in dieser Größenordnung in Frage kommen, landwirtschaftlich genutzt. Bei ihren Untersuchungen zur Entwicklung der Solarenergie haben die Ingenieure jedoch ebenso festgestellt, dass sich in den ländlichen Gemeinden ein wachsender Widerstand gegen Projekte in solch großem Maßstab regt. Laut Meinung der Forscher ist es deshalb für ein nachhaltiges Wachstum der Solarenergie in New York von entscheidender Bedeutung, die Gemeinden aktiv einzubeziehen und deren Bedenken zu verringern.

Mithilfe eines Computermodells des Mikroklimas, das auf der Strömungsdynamik und den Temperaturdaten der Solarpaneele basiert, bewertete die Cornell-Gruppe zudem verschiedene Faktoren für die Anlagen – zum Beispiel die Höhe, in der die Paneele installiert werden sollten, die Licht-Reflektivität der Erde und die Evapotranspirationsraten, mit denen das Wasser vom Boden aufsteigt. Dabei konnten die Ingenieure nachweisen, dass Solarmodule eine geringere Oberflächentemperatur aufweisen, wenn sie über Vegetation statt über nacktem Boden stehen. Dabei maßen die Forscher bei Solarmodulen über Sojapflanzen in 4 Metern Höhe bis zu 10 Grad Celsius weniger als bei Paneelen, die sich einen halben Meter über dem nackten Boden befanden.

Die Höhe, in der die Paneele installiert sind, hat jedoch nur geringen Einfluss auf den Kühleffekt – denn dieser kommt vor allem durch die Evapotranspiration sowie den spezifischen Albedo-Wert der Vegetation und der Bodenoberfläche zustande. Auf diese Weise erhöhen sich sowohl der Wirkungsgrad der Solarmodule als auch ihre Lebensdauer.

Dieser doppelte Nutzen ist umso bedeutender, wenn man bedenkt, dass die weltweit produzierte Nahrung nach Angaben des World Resources Institute bis 2050 schätzungsweise 10 Milliarden Menschen ernähren muss – und der Bedarf somit um etwa 50 % steigen wird. Gleichzeitig ist auch die beschleunigte Einführung von Systemen mit erneuerbaren Energiequellen unbedingt erforderlich. Denn der wachsende Energiebedarf und die Auswirkungen des Klimawandels stellen eine ebenso ernstzunehmende Herausforderungen dar.

Ein Beispiel aus Südkorea

Auch abseits der Cornell-Studie gibt es verschiedene Ansätze: So bauten Forscher in Südkorea Brokkoli unter Photovoltaik-Paneelen an, die 2 bis 3 Meter über dem Boden und in einem Winkel von 30 Grad angebracht waren. So können die Solaranlagen Schatten spenden und die Pflanzen vor der Witterung zu schützen.

Quelle: WEF

Das Ergebnis der Studie: Die Qualität des Brokkoli war nicht schlechter als die von traditionell angebauten Pflanzen. Auch geschmacklich gab es keine wesentlichen Veränderungen. Stattdessen hatte der unter den Paneelen angebaute Brokkoli sogar einen tieferen Grünton, was ihn für die Verbraucher attraktiver machte.

In Ostafrika ermöglichen Agrovoltaiksysteme den Landwirten zudem eine bessere Nutzung von Flächen, die früher als unrentabel galten. So werden bei einem Projekt in Kenia Solarpaneele mit Zwischenräumen mehrere Meter über dem Boden eingesetzt, um die Pflanzen vor Hitzestress und Wasserverlust zu schützen. Diese Technik hat mittlerweile sogar Investitionen in eine größere Vielfalt an höherwertigen Kulturen ermöglicht.

Ein letztes Beispiel kommt aus Frankreich: Hier will ein Pilotprojekt mit 5.500 Solarzellen auf einem Bauernhof im Nordosten des Landes Energie erzeugen, ohne die Landwirtschaft großflächig zu beeinträchtigen. In Spitzenzeiten sollen so bis zu 2,5 Megawatt möglich sein – das entspricht dem Energieverbrauch von 1.350 Menschen. Die Paneele können dabei dem Lauf der Sonne folgen und sich vertikal bewegen, um Regen durchzulassen. In horizontaler Richtung spenden sie außerdem Schatten und sollen Wetterschäden verringern.